Italien: Europa reagiert gelassen, aber nicht geschockt

Die Flagge Italiens (Foto: pixabay.com / SJPrice)
Die Flagge Italiens (Foto: pixabay.com / SJPrice)

Das Ende der Ära Matteo Renzi trifft die Europäische Union tiefer als sie zugeben möchte.

 

Auch wenn der Sozialdemokrat am Ende auf der Gemeinschaft herumhackte und sie zum Sündenbock für die italienische Krankheit zu machen versuchte, bleibt er unterm Strich doch ein Reformer, wenn auch ein verhinderter. Das wiegt schwer, weil das Land Mitglied des Euro und alles andere als ein politisches Leichtgewicht für diese Union ist.

 

Ein Fall in die Staatspleite wäre unbezahlbar und gerade deswegen eine kaum zu bewältigende Notsituation für die EU. Ein Beitrag von Andreas Kolesch, Westfalen-Blatt.

Keine Zeichen für Neuwahl

 

Dass die Euro-Finanzminister ebenso wenig wie die europäischen Regierungen aufgescheucht reagierten, zeigt aber auch: Vorerst sieht nichts nach einem Absturz Italiens aus. Die Zeichen stehen nicht auf Neuwahl, sondern auf Bildung einer neuen Regierung. Italien soll stabil bleiben. Doch die Ruhe ist gespielt. Das Bekenntnis zur EU scheint in der Bevölkerung immer weniger mehrheitsfähig, weil die Europäische Union sich bei akuten Problemen als handlungsunfähig erwiesen hat. Im Zweifel bedienen die Staats- und Regierungschefs eher die Egoismen ihrer eigenen Wähler, anstatt für Solidarität zu werben. Die Gemeinschaft krankt, weil ihre Mitglieder sie im Stich lassen. Es ist der lange bekannte Automatismus: In der Krise wächst die Bereitschaft, das Gemeinsame aufzugeben und sein Heil im Nationalismus zu suchen.

 

Europa sollte eigentlich die Union sein, die sich in der Gemeinschaft und durch die gegenseitige Harmonisierung krisenfest macht.

 

Das wäre auch so, wenn die Mitgliedstaaten mit dem ernst machen würden, was sie in Brüssel versprechen. Der Tag nach dem Votum in Italien hat die schlimmsten Befürchtungen vorerst nicht bestätigt: Keine Euro-Krise zeichnet sich ab, keine Staatspleite wird erkennbar.

 

Tatsächlich aber könnte sich aus einem europäischen Betriebsunfall am vergangenen Sonntag in Rom schnell mehr entwickeln, wenn es nicht gelingt, zügig eine stabile Regierung zu installieren. Das ist natürlich zum einen Sache des italienischen Staatspräsidenten. Aber es bleibt auch ein Auftrag an die EU, das Land nicht länger mit Aufgaben alleine zu lassen, die es schlicht überfordern - wie mit 200.000 Flüchtlingen alleine in diesem Jahr. Denn die Botschaft, die die Italiener aus einem solchen Verhalten der EU-Familie ablesen, lautet: Europa löst nichts, Europa schiebt Verantwortung ab. Warum also sollte man dieser Gemeinschaft noch länger über den Weg trauen?

 

Der Wahlsonntag in Italien war eine Warnung.

 

Was muss noch passieren, damit die EU und ihre Mitgliedstaaten solche Entwicklungen ernst nehmen und reagieren?

 

(Andreas Kolesch, Westfalen-Blatt / news aktuell / AK)