Messungen von PoliScan Speed ungültig

Blitzer, Symbolbild (Foto: obs / blickpixel)
Blitzer, Symbolbild (Foto: obs / blickpixel)

In Mannheim wurde am 28. November 2016 ein richtungsweisender Beschluss verfasst.

 

Grundlage für die Verhandlung war die Klage einer Mandantin des Vorsitzenden des Verbands für bürgernahe Verkehrspolitik (VFBV e.V.) Mathias Voigt. Der Betroffenen wurde ein Geschwindigkeitsverstoß vorgeworfen. Als Beweismittel diente die Messung eines Poli- Scan-Speed-Blitzgeräts der Firma Vitronic.

Der Sachverständige Roland Bladt konnte jedoch nachweisen, dass der Messalgorithmus dieses Geräts für die Messwertbildung prinzipiell nicht den Vorgaben zur Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) entspricht.

 

PoliScan Speed: Verstoß gegen die Bauartzulassung

 

Der Blitzer PoliScan Speed arbeitet mit der laserbasierten LIDAR-Technologie und dient der Geschwindigkeitsmessung von Fahrzeugen. Diese erfolgt per Laufzeitmessung in einem bestimmten Messfeld. Laut Nennbetriebsbedingungen der PTB-Bauartzulassung dürfen nur bestimmte Rohdaten zur Messwertbildung beitragen. Zulässig sind allein jene Messungen, bei welchen der Abstand zwischen Fahrzeug und Gerät 50 bis 20 Meter beträgt. Sachverständiger Bladt hat allerdings festgestellt, dass auch Objektpunkte außerhalb dieses Messbereichs in die Messwertbildung einfließen können. Somit liegt ein klarer Verstoß gegen die Auflage in den Nennbetriebsbedingungen der PTB-Bauartzulassung vor.

 

Sämtliche Softwareversionen sind von der Abweichung betroffen

 

Alle zugelassenen Systeme der PoliScan-Familie nutzen eine identische Messfunktion zur Messwertbildung. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sämtliche derzeit gültige Software (Versionen 1.5.5, 3.2.4 und 3.7.4) von den Fehlmessungen betroffen ist.

 

Vitronic und PTB widersprechen nicht

 

Während der Gerichtsverhandlung gab der Hersteller zu, dass Rohdaten, die außerhalb des benannten Messbereichs liegen, durch den Algorithmus in die Messwertbildung einfließen. Auch dem PTB ist dieser Umstand bekannt. Dies geht aus einem internen Schreiben an das Amtsgericht Mannheim vom Juni dieses Jahres hervor. Allerdings pocht die Bundesanstalt darauf, dass "eine exakte Übereinstimmung der aus den Rohdaten extrahierten Informationen zum Messbereich [...] keine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer als gültig zu erachtenden Messung [ist]." Vor Gericht bestritt die PTB jedoch, Kenntnisse von diesen möglichen Messungenauigkeiten zu haben.

 

PTB abermals in der Kritik

 

Die PTB kam ihrer Aufgabe als Prüforgan in diesem Fall nicht nach, da sie den Verstoß gegen die Auflagen der Nennbetriebsbedingungen bezüglich des Messbereichs nicht bemerkte bzw. bemerken wollte. Jüngst musste sich die Bundesanstalt schon großer Kritik aussetzen, da sie unzulässige Kabel für das Messsystem LEIVTEC XV3 zuließ. Die PTB erscheint daher immer unglaubwürdiger und verspielt zunehmend das in sie gesetzte Vertrauen.

 

Einzelfallprüfungen sind erforderlich

 

Allerdings kann nicht pauschal behautet werden, dass sämtliche Messungen der PoliScan-Speed-Geräte falsch sind. Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Rohdaten, welche zur Messwertbildung beigetragen haben, die Bedingungen der Bauartzulassung einhalten oder nicht. Um Einsicht in die relevanten Daten zu erhalten, ist es notwendig, einen Anwalt zu beauftragen.

 

Zum Hintergrund

 

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(Verband für bürgernahe Verkehrspolitik e.V. / news aktuell / AK)