Das "Weihnachtswunder" von 1914

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in New York während der Gedenkfeier zum 100. Jahrestag des Weihnachtsfriedens im Ersten Weltkrieg. Foto: Andrew Gombert
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in New York während der Gedenkfeier zum 100. Jahrestag des Weihnachtsfriedens im Ersten Weltkrieg. Foto: Andrew Gombert

Erster Weltkrieg, Westfront, Grabenkämpfe im belgisch-französischen Grenzgebiet - Weihnach- ten 1914. «Stille Nacht»? Wie die Tage, die Wochen zuvor bringt der 24. Dezember den Soldaten Tod und Verderben. «Alles was ich (...) gehört hatte in den Schützengräben war das Rauschen, Krachen und Jaulen der Kugeln, Maschinengewehrfeuer und entfernte deutsche Rufe», erinnerte sich der britische Veteran Alfred Anderson, 2005 im Alter von 109 Jahren gestorben. Anderson ist 18 Jahre alt, als am Morgen des 25. Dezember 1914 das Unglaub- liche geschieht:

Plötzlich schweigen die Waffen. Schilder werden hochgehalten. «Frohe Weihnachten» ist dort zu lesen oder «Merry Christmas». Die Feinde - vor allem Deutsche, Österreicher und Briten - kriechen aus den Schützengräben. Erst nur einzelne, dann immer mehr.

Mitten auf dem Schlachtfeld schütteln sie sich die Hände und singen im Niemandsland Weihnachtslieder, die alle kennen: «Stille Nacht! Holy Night! Alles schläft, one sole light...». Die Soldaten zeigen sich Fotos ihrer Familien, tauschen deutsches Bier gegen englischen Pudding. Als legendär gelten Fußballspiele zwischen den Granattrichtern - mit Helmen als Torpfosten.

Die Waffenruhe verbreitet sich - mehr oder weniger stark - an der gut 700 Kilometer langen Frontlinie. Offiziere versuchen, Verbrüderungen zu unterbinden, drohen mit standrechtlichen Erschießungen. In der Kriegspropaganda hat das später «Weihnachtswunder» oder «Operation Plum Pudding» genannte Ereignis keinen Platz. Und wird offiziell totgeschwiegen.

Aber viele Soldaten berichten davon. Einer schreibt an die Familie: «Auf beiden Seiten herrschte eine Stimmung, dass endlich Schluss sein möge. Wir litten doch alle gleichermaßen unter Läusen, Schlamm, Kälte, Ratten und Todesangst.» Als das Fest beendet ist, feuern die Soldaten zunächst noch über die Köpfe der jeweiligen Gegner, doch dann geht das große Schlachten weiter - noch fast vier Jahre lang.

Heute erinnert in dem französischen Grenzdorf Frelinghien ein Denkmal an das «Weihnachtswunder», auch «Weihnachtsfrieden» genannt. Und am vergangenen Wochenende weihte Prinz William ein Denkmal in der englischen Grafschaft Staffordshire bei Birmingham ein. «Das bleibt heute noch sehr bedeutungsvoll als eine Botschaft von Hoffnung und Menschlichkeit, sogar in der trostlosesten aller Zeiten», sagte William. Das Denkmal zeigt die Umrisse eines Fußballs, in dessen Mitte sich zwei Hände verschränken.

dpa