Das Smartphone beeinflusst die Fotokunst

Florian Ebner, Leiter der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang, ist der Kurator des Deutschen Pavillons auf der Biennale in Venedig 2015. Foto: Roland Weihrauch
Florian Ebner, Leiter der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang, ist der Kurator des Deutschen Pavillons auf der Biennale in Venedig 2015. Foto: Roland Weihrauch

Längst zücken Hobby-Fotografen ihre Kamera nicht mehr nur im Urlaub oder bei Familien-feiern. Im Smartphone-Zeitalter werden täglich Millionen von Bildern verschickt, seien es Sonnenuntergänge, Selfies oder das Essen im Restaurant. «Viele Menschen beschäftigen sich bei ihren Handy-Fotos mit ästhetischen Lösungen. Dieses visuelle Training sehe ich positiv», sagt der Fotokurator Thomas Weski. Die allgegenwärtigen Smartphone-Schnapp-schüsse beeinflussten wiederum junge Fotokünstler, beobachtet der Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.

«Einige Studenten arbeiten bewusst mit einfachen Kameras und spielen mit einer Ästhetik des Imperfekten.»

175 Jahre nach der Erfindung der Fotografie ist das Medium so populär wie nie. Der Europäische Monat der Fotografie in Berlin - das bundesweit größte Fotofestival - hat seine Besucherzahlen in den vergangenen zehn Jahren ständig gesteigert. In diesem Herbst lockte allein die zentrale Ausstellung «MemoryLab: Die Wiederkehr des Sentimentalen» in den ersten vier Wochen mehr als 20 000 Menschen an. In der Schau nähern sich junge Fotografen historischen Themen aus einer persönlichen Perspektive.

Andreas Mühe etwa beschäftigt sich in seiner Serie «Obersalzberg» mit dem Inszenierungswahn der Nazis. Dabei stellt er Propagandabilder von Walter Frentz nach, der Adolf Hitler und seine Gefolgschaft ab 1939 immer wieder in der Sommerresidenz des Diktators in Szene setzte. «MemoryLab» wandert im nächsten Frühjahr in abgewandelter Form zum Monat der Fotografie nach Luxemburg. Insgesamt macht das Festival Station in acht europäischen Städten.

Der Kurator der Berliner Festivalausgabe, Frank Wagner, ist überzeugt, dass angesichts der Schwemme privater Bilder professionelle Fotografie immer wichtiger wird. «Durch die Handy-Fotografie erhält der Fotoabzug, der Print, eine größere Bedeutung, da viele «User» ausdrücklich auf das Ausdrucken ihrer Fotos verzichten», sagt er.

Speziell klimatisierte Lagerräume für Fotoabzüge richtet derzeit das Sprengel Museum ein und hofft, damit weitere bedeutende Arbeiten nach Hannover zu locken. Insgesamt fließen knapp 36 Millionen Euro in den Erweiterungsbau mit vergrößerter Ausstellungsfläche. Das Haus hat vor, seine 1993 eingerichtete Abteilung für Fotografie und Medien zu stärken.

Im Museum Folkwang in Essen wurde schon 1978 die Fotografische Sammlung als eigene Abteilung eingerichtet. Deren Leiter Florian Ebner wird im kommenden Jahr den Deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig bespielen - erstmals ist damit ein Fotokunst-Experte der deutsche Kurator bei der renommierten internationalen Kunstschau.

Für den Pavillon hat Ebner vier Positionen ausgesucht, den Konzeptkünstler Olaf Nicolai, den Fotografen Tobias Zielony, das Künstlerpaar Jasmina Metwaly und Philip Rizk sowie die Filmemacherin Hito Steyerl. Zielony, der mit Porträts von Jugendlichen an den Rändern europäischer Städte bekanntwurde, präsentiert sein neues Projekt. In Europa eingetroffene Flüchtlinge erzählen für Zeitungen in ihrer afrikanischen Heimat, wie es ihnen ergangen ist. «Tobias Zielony bedient und hinterfragt Modelle des Dokumentarischen», sagt Ebner.

Im deutschen Pavillon möchte der Kurator die Allgegenwart digitaler Bilder und ihr weltweites Zirkulieren reflektieren. «Die Bilder sind nicht mehr eine Kopie der Natur, sondern stellen Wirklichkeit her. Sie können eine Stimme der Freiheit sein, aber öffnen auch Wege für Missverständnisse bis hin zu Propaganda.»

dpa