Vision vom dritten Münchner Konzertsaal geplatzt

Der Konzertsaal der Philharmonie im Gasteig in München. Foto: Gasteig München GmbH/ Matthias Schönhofer
Der Konzertsaal der Philharmonie im Gasteig in München. Foto: Gasteig München GmbH/ Matthias Schönhofer

Einen Namen gab es schon: Neues Odeon. So sollte der neue, dritte Konzertsaal für die Musikstadt München heißen. Ein akustisch wie architektonisch Maßstäbe setzender Bau im Herzen der Bayernmetropole, in Rufweite des legendären, im Krieg zerstörten «Odeons», Münchens einstigem Musiktempel. Doch am Montag ist die prächtige Vision zerplatzt wie eine bunt schillernde Seifenblase. Ein Debakel vor allem für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. 

Dessen Chefdirigent Mariss Jansons hatte sich jahrelang vehement für den neuen Saal stark gemacht, um seinem Orchester, einem Ensemble von Weltruf, endlich ein eigenes Zuhause zu verschaffen. 

Doch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erteilten allen Visionären eine herbe Lektion in Sachen Realpolitik. In seltener Eintracht - Stadt und Freistaat hatten sich in Sachen Konzertsaal jahrelang befehdet - verkündeten die beiden Politiker bei einer improvisierten Pressekonferenz in Reiters Dienstzimmer nun das Aus für den neuen Saal. Stattdessen wollen sie gemeinsam die stadteigene Philharmonie im Münchner Gasteig-Kulturzentrum entkernen, um dann in der Hülle einen neuen Saal mit bestmöglicher Akustik zu implantieren. «Ich will einen Saal auf Weltniveau», sagte Seehofer. Die Gesamtzahl der Plätze für Konzertbesucher in München soll in etwa erhalten bleiben.

Die Philharmonie im Gasteig war 1985 eröffnet und von Fachleuten wegen ihrer mangelhaften Akustik sogleich heftig gescholten worden. Leonard Bernstein, der berühmte US-Dirigent, wollte den Bau angeblich sogar abfackeln: «Burn it!» Das riesige Auditorium mit etwa 2 400 Plätzen krankte vor allem daran, dass es eigentlich als Mehrzwecksaal geplant worden war.

Auch der zweite Münchner Konzertsaal, der Herkulessaal in der Residenz, konnte Musikfreunde nie völlig überzeugen. Für große Symphoniekonzerte ist er schlicht zu klein. Was in München fehlte (und wohl auch künftig fehlen wird), war ein Saal mittlerer Größe. Und ein eigenes Domizil für die zwischen Herkulessaal und Philharmonie vagabundierenden BR-Symphoniker.

Seehofer machte kein Hehl daraus, dass er nach der jahrelangen Debatte um einen geeigneten Standort für den Saal endlich «Butter bei die Fische» geben wollte. Zahllose Standorte seien geprüft und verworfen worden, sagte der Ministerpräsident. Doch gegen das «Neue Odeon» auf dem Gelände des unter Landschaftsschutz stehenden Finanzgartens machten vor allem Naturschützer mobil.

Unglücklicherweise liegt das Terrain im Wahlkreis von CSU-Kunstminister Ludwig Spaenle, der sich aus der gesamten Debatte auffällig heraushielt. Spaenle und Seehofer fürchteten wohl, dass sich radikale Ökoaktivisten an Bäume ketten könnten, um den ihrer Ansicht nach vom Kahlschlag bedrohten Finanzgarten zu retten. Dann offenbar lieber die Notbremse.

Das erste Echo auf die Entscheidung war am Montag fast einhellig negativ. Die Entscheidung sei ein «schwerer Schlag für die weltweit berühmte Orchesterkultur Bayerns», sagte BR-Chef Ulrich Wilhelm. Nicht nur die Klangkörper des Bayerischen Rundfunks, auch alle anderen Orchester und privaten Veranstalter würden dadurch in ihren Entwicklungsmöglichkeiten empfindlich geschwächt. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher sprach von einer Scheinlösung, mit der der «infrastrukturelle Engpass für das Musikleben Münchens auf Jahre zementiert» werde.

dpa