Bayerische Wirtschaft: Unsicherheit nimmt zu

München – Die Rente mit 63 belastet die bayerische Wirtschaft stärker als befürchtet. Jedes zweite Unternehmen im Freistaat kämpft mit den negativen Auswirkungen des vorgezogenen Ruhestands. „Der Ansturm auf die Rente mit 63 verschärft den Fachkräftemangel zur Unzeit und durchkreuzt in vielen Firmen die Personalplanungen“, beklagt Eberhard Sasse, Präsident des Bayerische Industrie- und Handelskammertags (BIHK). Besonders stark betroffen sind Betriebe in der Industrie und in der Baubranche, zitiert Sasse die Ergebnisse einer BIHK-Umfrage unter rund 4.000 Firmen in Bayern.

„Weil die Regelung so plötzlich kam, hatten die Betriebe keine Zeit, Nachfolgelösungen oder geordnete Übergaben vorzubereiten“, erläutert der BIHK-Präsident. Drei Viertel aller betroffenen Unternehmen leiden unter dem Verlust von Fachwissen. Über Probleme beim Nachbesetzen der verwaisten Stellen berichten 47 Prozent der Unternehmen, die Fachkräfte durch die Rente mit 63 verloren haben. 43 Prozent der Betriebe haben wegen der schlagartigen Renteneintritte Probleme bei der Personalplanung. Ein Drittel der betroffenen Betriebe beklagt die hohen Kosten für Zwischenlösungen. Bei einem Viertel der Firmen reißt der kurzfristige Fachkräfte-Aderlass sogar so große Lücken in die Personaldecke, dass die Betriebsabläufe gestört werden.

Die bayerischen IHKs hatten die Rente mit 63 angesichts der demografischen Entwicklung wiederholt als Schritt in die falsche Richtung bezeichnet. Der frühere Renteneintritt verschärft laut BIHK den ohnehin großen Fachkräftemangel in Bayern.

Der BIHK-Konjunkturindex ist binnen Jahresfrist um 6 Punkte auf 122 Zähler gefallen. Im Vergleich zur vorherigen Umfrage im Herbst 2014 verharrte der Index auf dem gleichen Niveau. „Neben außenpolitischen Risiken wie dem Ukraine-Konflikt und der Euroschuldenkrise entfalten die hausgemachten Belastungsproben der Wirtschaft – darunter die Rente mit 63, der Mindestlohn, die steigende Bürokratie und die verkorkste Energiewende – ihre Wirkung“, sagte BIHK-Hauptgeschäfts­führer Peter Driessen bei der Vorstellung der BIHK-Konjunkturumfrage in München. „Dauerhaftes Wirtschaftswachstum ist kein Selbstläufer“, mahnte Driessen. Als besonderes Warnsignal bezeichnete der BIHK-Chef die weiter relativ geringe Investitionsbereitschaft der Betriebe. „Der Investitionsturbo wird auch 2015 nicht gestartet, bei den Investitionsplänen der Unternehmen gibt es keinen Aufwärtstrend“, zitierte Driessen aus den Umfrageergebnissen. 

Derzeit sind 43 Prozent aller befragten Betriebe mit ihrer Geschäftslage zufrieden, nur 8 Prozent bewerten die Situation als „schlecht“. Mit besseren Geschäften in den kommenden zwölf Monaten rechnen 24 Prozent der Befragten, mit einer Eintrübung 13 Prozent. In der Industrie dämpfen die Sorgen um das Exportgeschäft, besonders mit Russland, der Ukraine und der Türkei, die grundsätzlich guten Aussichten. Die Bauwirtschaft meldet nach sehr guter Auslastung im Vorjahr weniger Auftragseingänge. Im Einzelhandel sind die Aussichten dank stabiler Beschäftigung und wachsenden Einkommen der Verbraucher stabil. Das Dienstleistungsgewerbe als Jobmotor der bayerischen Wirtschaft erwartet weiterhin eine günstige Geschäftsentwicklung. Bei den Beschäftigungsplänen sind die Dienstleister aber etwas zurückhaltender als zuletzt. 

Der Arbeitsmarkt im Freistaat sollte laut BIHK-Konjunkturumfrage stabil bleiben. 70 Prozent der Betriebe planen keine Veränderungen bei ‎der Zahl ihrer Mitarbeiter, 17 Prozent planen einen Stellenaufbau und 13 Prozent geben an, Jobs zu ‎streichen. Vorausgesetzt die Unternehmen finden die gesuchten Fachkräfte, wird es somit auch 2015 zu einem leichten Beschäftigungsplus in Bayern kommen.

„Erfreulich ist, dass die bayerische Wirtschaft trotz der hohen Unsicherheit auf ein moderates Wachstum zusteuert“, fasste BIHK-Chef Driessen die Ergebnisse zusammen. Vor allem der private Konsum werde wegen der guten Beschäftigungs- und Einkommenssituation das Wachstum antreiben. Die Politik müsse aber dringend für bessere Rahmenbedingungen sorgen, so der BIHK-Chef. „Investitionen, auch der öffentlichen Hand, müssen wieder Priorität haben“, meinte Driessen. 

Außerdem fordere die Wirtschaft weniger Bürokratie, eine bezahlbare und sichere Energieversorgung und mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt sowie bei der Zuwanderung. Der BIHK-Chef kritisierte die komplexen Einwanderungsregeln und forderte ein Punktesystem, das anhand der Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarktes passgenau die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte steuert.

hk