Goldener Bär für iranischen Film "Taxi"

Ein berührender Moment: Jafar Panahis Nichte, Hanna Saeidi, nimmt den Goldenen Bären entgegen. Applaus von Darren Aronofsky und Audrey Tautou. Foto: Michael Kappeler
Ein berührender Moment: Jafar Panahis Nichte, Hanna Saeidi, nimmt den Goldenen Bären entgegen. Applaus von Darren Aronofsky und Audrey Tautou. Foto: Michael Kappeler

Der Goldene Bär für einen mutigen Iraner: Trotz Verbots drehte Regisseur Jafar Panahi («Offside») heimlich die Tragikomödie «Taxi», die am Samstag bei den 65. Berliner Film-festspielen mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde. Auf unbekannten Wegen kam Panahis halbdokumentarischer Film über das schwie-rige Leben in Teheran zur Berlinale. Panahi, der in seinem Heimatland einem Arbeits- und Ausreiseverbot unterliegt, durfte nicht zum Festival kommen. Die Auszeichnung für den Regimekritiker ist mehr als eine Solidaritäts-bekundung mit dem verfolgten Künstler. 

Die Jury unter Vorsitz von US-Regisseur Darren Aronofsky («Black Swan») zeichnete mit «Taxi» einen raffiniert inszenierten Film aus, der seine politische Aussage mit doppelbödigem Witz und sanfter Melancholie verbindet - und dem Publikum so etwas über den Alltag im Iran erzählt.

Die mit gleich drei Filmen im Bären-Rennen gestarteten Deutschen gingen auch nicht ganz leer aus. Für seine Nonstop-Kamera bei Sebastian Schippers in Echtzeit und ohne Schnitt gedrehtes Bankraub-Drama «Victoria» erhielt der Norweger Sturla Brandth Grøvlen einen Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Leistung. An «Victoria» gingen auch der Preis der Gilde Deutscher Filmkunsttheater und der Leserpreis der «Berliner Morgenpost».

Die beiden Silbernen Bären für die beste schauspielerische Leistung erhielten verdient die Briten Charlotte Rampling und Tom Courtenay für ihre Darstellung in dem leisen Ehedrama «45 Years» von Andrew Haigh - einem der Favoriten des Festivalpublikums. Bei der Jubiläums-Berlinale machten vor allem kleine Produktionen das Rennen - während die Kino-Altmeister Terrence Malick, Werner Herzog und Peter Greenaway leer ausgingen. Zumindest letzterem hätte man für seine furiose Filmbiografie «Eisenstein in Guanajuato» einen Preis gegönnt.

Den Großen Preis der Jury holte mit dem chilenischen Missbrauchs-Drama «El Club» (Der Club) ein Film, der schonungslos das Versagen der katholischen Kirche auch als moralische Institution aufdeckt. Um die blutige Geschichte Chiles von der Ermordung der Ureinwohner bis zur Folter in der Pinochet-Zeit geht es in «Der Perlmuttknopf». Für den einzigen Dokumentarfilm im Wettbewerb wurde Regisseur Patricio Guzmán mit dem Bären für das beste Drehbuch geehrt.

Schwere Themen haben auch die beiden Gewinner des Regie-Preises: In «Body» von der Polin Malgorzata Szumowska geht es um die zerrüttete Beziehung eines Vaters zu seiner magersüchtigen, unter dem Tod der Mutter leidenden Tochter. «Aferim!» des Rumänen Radu Jude ist ein Schwarz-Weiß-Film über Vater und Sohn, die in der Walachei 1835 einen entflohenen «Zigeuner-Sklaven» zurück zu seinem Herrn bringen sollen.

In den Iran war der Goldene Bär zuletzt im Jahr 2011 gegangen. Damals hatte Asghar Farhadis Scheidungsdrama «Nader und Simin - Eine Trennung» gewonnen, das danach auch den Oscar holte. Der diesjährige Bären-Gewinner Panahi setzte sich für seinen Film «Taxi» in ein ganz reales, mit Kameras ausgestattetes Taxi und chauffierte Landsleute durch Teheran.

Ein mit illegalen Filmkopien handelnder Mann, eine Menschenrechtsanwältin, ein Anhänger der Todesstrafe, zwei abergläubische alte Frauen und Panahis selbstbewusste kleine Nichte erzählen dem Taxifahrer von ihren Problemen. Panahi inszeniert das Spiel mit den Wahrheiten, in dem es auch um Zensur und Selbstzensur geht, sehr verschmitzt. Am Ende wird die Kamera aus dem Auto geklaut. Ob die Fahrgäste reale Personen, Laien oder Schauspieler sind, bleibt offen.

Panahi war wegen seiner Kritik an der iranischen Regierung im Dezember 2010 zu sechs Jahren Haft und einem 20-jährigen Berufs- und Ausreiseverbot verurteilt worden - das Urteil wurde jedoch nicht vollständig vollstreckt. «Ich bin Filmemacher. Ich kann nichts anderes als Filme machen», heißt es in einer im Berlinale-Programm veröffentlichten Erklärung von Panahi. Und weiter: «Mit Kino drücke ich mich aus, es ist mein Leben. Nichts kann mich am Filmemachen hindern.»

dpa