Fairness? - Wie die Geschäfte im Kunstmarkt laufen

Der Betrugsprozess gegen den Kunstberater Helge Achenbach wird fortgesetzt. Foto: Roland Weihrauch
Der Betrugsprozess gegen den Kunstberater Helge Achenbach wird fortgesetzt. Foto: Roland Weihrauch

Helge Achenbach konnte ein klein wenig aufatmen. Kurz vor Ende der Beweisaufnahme stellte die Staatsanwältin Valeria Sonntag überraschend den Antrag auf Einstellung von vier der rund 20 Anklagepunkte. Der spekta-kuläre Prozess gegen Deutschlands einst einflussreichsten Kunstberater steuert auf die Zielgerade. Seit gut zwei Monaten muss sich Achenbach wegen Millionenbetrugs vor allem an seinem einst besten Kunden, dem 2012 gestorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht verantworten. 

Nach einem tränenreichen Teilgeständnis zu Beginn tritt der stets korrekt im dunklen Anzug gekleidete Achenbach mittlerweile etwas entspannter im Saal 101 des Essener Landgerichts auf. In Sitzungspausen gibt Achenbach Details aus seiner nun schon rund acht Monate dauernden Untersuchungshaft preis. «Man lernt dort Demut», sagt der 62-Jährige, der mit Millionären und Milliardären auf Du und Du war. Auch der Knast schaffe eine gewisse Solidarität. So treffe er den ebenfalls in Essen inhaftierten einstigen Top-Manager Thomas Middelhoff manchmal «beim Sport», verrät Achenbach.

Kuratoren, Galeristen und Künstler traten inzwischen in den Zeugenstand. Fast jeder hatte gute Worte übrig für Achenbach, mit dem man einst gute Geschäfte gemacht hatte, aber alle wiesen eine Verwicklung in dessen Kundendeals zurück.

Der Bildhauer Tony Cragg sprach von einer «freundschaftlichen Beziehung zu Helge», den er seit 20 Jahren kenne. Man habe sich auch mal bei einem privaten Abendessen in Achenbachs Restaurant getroffen. Wie der Endpreis für seine Edelstahlskulptur, die Achenbach an Albrecht verkaufte, zustande kam, dazu sagte Cragg nichts. Die in Rechnung gestellten knapp 400 000 Euro entsprächen aber dem Marktpreis.

Im Prozess kamen auch erstaunliche Details der Geschäftspraxis im Kunstmarkt heraus. Philomene Schmidt-Garre zum Beispiel, die zusammen mit Monika Sprüth eine erfolgreiche Galerie in Berlin und London betreibt, hatte vier Arbeiten des Fotokünstlers Andreas Gursky an Achenbach verkauft, die dieser an den Pharma-Unternehmer Christian Boehringer weiterverkaufte.

Da die Fotos von zuvor veränderten Texten aus Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften» in New York gelagert waren, der Transport nach Europa aber sehr teuer geworden wäre, habe Gursky die Fotos in Deutschland neu produzieren lassen. Das sei im Kunstbetrieb normal. Warum die Bilder aber erst nach England und dann zurück nach Deutschland geliefert wurden, blieb unklar.

«Kuddelmuddel» habe es dann noch in Sydney gegeben, wo eine Galerie eine Arbeit aus der Sechser-Auflage der «dekonstruierten» Musil-Texte gekauft habe, sagte Schmidt-Garre. Die Galerie habe auf ihrer Website die Nummer 2 von 6 angegeben. Das könne aber gar nicht sein, weil doch Boehringer die Nummer 2 gekauft habe. Und zweimal darf eine Auflage nicht produziert werden. «Wir sind aus allen Wolken gefallen», sagte Schmidt-Garre. Schließlich habe die Galerie auf der anderen Seite der Erdkugel den Webeintrag korrigiert. Diese habe nämlich in Wirklichkeit die Nummer 6 von 6 erhalten.

Interessant ist wohl auch der Verkauf von zwei Bildern von Roy Lichtenstein an Albrecht: Dass Achenbach einen Aufschlag von rund einer Million Euro vornahm, muss das Gericht noch bewerten.

Aufhorchen ließ Achenbachs Erklärung, er habe zur Unterstützung einer Lichtenstein-Ausstellung im Kölner Museum Ludwig 50 000 Euro gespendet, weitere 150 000 Euro habe Albrecht gezahlt.

Erst im Gegenzug sei ihm «ein Gesprächskanal» zum Lichtenstein-Nachlass in New York eröffnet worden, aus dem er die Bilder dann bezogen habe. Der damalige Leiter des Museums, Kasper König, trat daraufhin in einer Erklärung mit allem Nachdruck dem Eindruck entgegen, er sei in Geschäfte Achenbachs verwickelt.

Der eng mit Georg Baselitz (77) befreundete Künstler Benjamin Katz (75) sprach ganz allgemein von einer «desaströsen» Situation im Weltkunsthandel. «Von Fairness ist nicht viel die Rede.»

dpa