Deutschlands Lehrer: "Faule Säcke" oder Burnout-Opfer?

Hartnäckig hält sich das Bild, Lehrer arbeiteten wenig. Oft wird aber übersehen, dass zu dem Job etwa noch das Korrigieren von Klassenarbeiten, Elterngespräche und AGs gehören. Foto: Daniel Reinhardt
Hartnäckig hält sich das Bild, Lehrer arbeiteten wenig. Oft wird aber übersehen, dass zu dem Job etwa noch das Korrigieren von Klassenarbeiten, Elterngespräche und AGs gehören. Foto: Daniel Reinhardt

Vor 20 Jahren schmähte der spätere Kanzler Schröder Lehrer als «faule Säcke». Heute fordert die oberste Bildungspolitikerin der Republik mehr Respekt. Bequeme Beamte oder Burnout-Opfer - alles Klischees? Die Bildungs-ministerin brach vor den Warnstreiks eine Lanze für die Lehrer: Denen werde «oft unrecht getan», sagte Johanna Wanka. «Sie leisten außerordentlich viel. Wir sollten Lehrern eine höhere Wertschätzung entgegenbringen.» Das hörte sich ganz anders an als der berühmte Ausspruch des damaligen SPD-Minister-präsidenten Gerhard Schröder über Lehrer im Gespräch mit einer Schülerzeitung 1995: 

«Ihr wisst doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.» Die Polemik schadete Schröder nicht - drei Jahre später war er Kanzler. Was sagen Statistiken über die finanzielle Lage deutscher Lehrer?

Beim Vergleich der Vollzeitbeschäftigten mit Hochschulabschluss stellte das Portal Statista im vorigen Herbst fest, dass Pädagogen in Deutschland durchschnittlich kaum weniger verdienen als andere Akademiker. Nach den OECD-Vergleichszahlen von 2012 liegt Deutschland etwas über dem Schnitt (97 Prozent). Jedoch verdienen Lehrer in Südkorea (136 Prozent), aber auch im krisengebeutelten Spanien (132 Prozent) viel mehr als andere Menschen mit Hochschulabschluss, während etwa in Norwegen (71 Prozent), Italien (65 Prozent) oder Österreich (60 Prozent) Lehrergehälter erheblich unter dem Akademiker-Durchschnitt liegen.

Gibt es Verdienst-Unterschiede zwischen Beamten und Angestellten? Ja, und zwar deutliche. Die Bundesländer legen uneinheitlich fest,  unter welchen Bedingungen Lehrer Beamte werden - mit Privilegien und  besserer Bezahlung. Laut Bildungsgewerkschaft GEW gibt es bundesweit  gut 1000 verschiedene Kriterien für Gehaltsgruppen oder -stufen.  Zudem zahlen angestellte Lehrer stetig steigende Beiträge in die  Sozialversicherungen ein - was nach GEW-Angaben beim Bruttogehalt nur  unzureichend kompensiert wird. Beamtete Pädagogen bekommen am Ende  auch Gehaltserhöhungen der Angestellten eins zu eins aufs Konto. Wie wirkt sich das konkret in Euro und Cent aus? Im Ergebnis verdient ein angestellter Lehrer in Nordrhein-Westfalen  monatlich netto bis zu 590 Euro weniger als der Beamten-Kollege,  heißt es von der GEW. «Das ist natürlich eine Gerechtigkeitslücke -  deutlich weniger Geld für dieselbe Arbeit», sagt auch Heinz-Peter  Meidinger, der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes. Bei der  Altersvorsorge geht es ebenfalls ungleich zu. Dabei würde sich die  durchgängige Verbeamtung von Lehrern auch für den Staat finanziell  rechnen, sagt Gitta Franke-Zöllmer vom Verband Bildung und Erziehung. Wie sieht es mit der Arbeitszeit von Lehrern aus? 

Das Klischee hält sich hartnäckig: Lehrer haben lange Ferien und früh Feierabend. Laut Allensbach-Umfrage (2013) waren 71 Prozent der  Ansicht, dass Lehrer viel Urlaub haben; jeder zweite Befragte meinte,  dass die Pädagogen kaum Überstunden machen. Experten halten dagegen,  dass die «echte» Arbeitszeit weit über den Pflichtstunden (zwischen  23,5 und 27,5 an Gymnasien) liegt. So schätzte die Bildungsforscherin  Mareike Kunter, «dass Aufgaben wie das Vorbereiten von Schulstunden,  Korrigieren von Klassenarbeiten, Elterngespräche, AGs und Verwaltung  mehr als 40 Prozent der Arbeitszeit ausmachen». Meidinger nennt eine  Studie, wonach Normal-Lehrer 43 bis 44 Wochenstunden leisten. 

Wie groß ist die Burnout-Gefahr bei Lehrern?

Offenbar ziemlich groß. Laut Studie «Psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal» des Aktionsrates Bildung mit Zahlen von 2011 gab von den rund 2,1 Millionen Menschen in deutschen Bildungseinrichtungen ein Drittel an, unter zu hohen Belastungen zu leiden. Viele Beschäftigte im Bildungswesen leiden dem Gutachten zufolge unter chronischem Stress und psychischen Beeinträchtigungen. Mangelndes Prestige des Lehrerberufs und Mobbing seien Gründe für den Anstieg psychischer Erkrankungen im Bildungswesen. Und unter Burnout litten am Ende nicht nur die betroffenen Lehrer - ausgebrannte Pädagogen machten auch weniger guten Unterricht, hieß es.

Hat sich das Lehrer-Image seit der Schröder-Schelte verändert?

Ja, zum Glück, so der Philologenverband. Die Allensbach-Umfrage habe  nämlich auch ergeben, dass «die positiven Zuschreibungen zum  Lehrerberuf deutlich in der Mehrzahl sind», sagt Meidinger. Demnach setzen sich die Pädagogen sehr für ihre Schüler ein und machen einen  anstrengenden Job. «Das Klischee vom Halbtagsjob verblasst.»

dpa