Missgeschick eines Bäckers ist Segen für Archäologen

Reste von 250 Jahre alten Semmeln und Brezeln. Foto: Armin Weigel
Reste von 250 Jahre alten Semmeln und Brezeln. Foto: Armin Weigel

Johann Georg Held ist wütend. Als der Bäcker im 18. Jahrhundert in Regensburg die Back-waren aus dem Ofen holt, ist alles verkohlt. Wütend schleudert er die Semmeln, Brezen und Kipferl in eine Grube in der Ecke seiner Backstube. So oder ähnlich muss sich nach Vorstellung der Archäologen das abgespielt haben, was aus heutiger Sicht ein Segen ist und fast einer Sensation gleichkommt. Rund 250 Jahre nach dem Missgeschick des Bäckers entdecken die Experten an der Grabungsstätte am Donaumarkt in der Domstadt eine historische Brotzeit.

«Es handelt sich garantiert um die älteste gefundene Breze», sagt Silvia Codreanu-Windauer vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege am Mittwoch in Regensburg. Normalerweise fänden Archäologen Keramik, Knochen, Metalle oder Glas in der Erde, aber eben keine organischen Objekte. Nur weil die Backwaren verkohlt waren und die Abfallgrube später überbaut wurde, haben sie im Boden überdauert. Die Brotzeit wurde mit Hilfe der Radiokarbonmethode auf die Zeit zwischen 1700 und 1800 geschätzt.

Um die Entstehung und Form der Breze, dem Symbol der Bäckerzunft, ranken sich zahlreiche Geschichten und Legenden. Eine erzählt von einem Bäcker, der zum Tode verurteilt worden war. Ihm wurde die Begradigung in Aussicht gestellt, wenn er es schafft, ein Brot zu backen, durch welches die Sonne dreimal scheint. Mit den drei Löchern in der Breze hatte es der Bäcker geschafft. Wahrscheinlicher ist jedoch ein kirchlicher Hintergrund. «Die Form soll die gekreuzten Arme der Mönche zeigen. Schließlich galt die Breze auch als Fastenspeise», erläutert Codreanu-Windauer. Erstmals erwähnt wurde die besondere Backware in der Brezn-Fibel im 9. Jahrhundert.

Wie aber genau die Brotzeit vor 250 Jahren aussah, ist nicht überliefert. «Brezen und Kipferl waren aber schon etwas Besseres als das Brot», erklärt der Regensburger Stadtarchäologe Lutz Dallmeier. Auch über die genaue Zusammensetzung der historischen Brotzeit lässt sich heute nicht mehr viel sagen. «Es gibt zwar zahlreiche mittelalterliche Rezepte. aber eben keine Backrezepte», sagt Codreanu-Windauer. Ursprünglich wurden Brezen lediglich am Samstag gebacken und verkauft. In München hatte 1532 jedoch der damalige Herzog die Bäcker angewiesen, täglich Brezen zu backen und zu verkaufen.

Seit Jahren ist der Donaumarkt für Archäologen eine spektakuläre Grabungsstätte. Dort war bereits ein Holzhaus freigelegt worden, das etwa 1200 Jahre alt sein könnte. Zudem war eine mittelalterliche Hinrichtungsstätte und ein Holzbohlensteg aus dem frühen Mittelalter gefunden worden, der bis an die Donau führte. Bereits im 12. Jahrhundert war ein Stadtviertel entstanden. Bäcker Held, so belegen es sogenannte Siedelprotokolle, hatte 1753 eine Backstube übernommen und mehrere Generationen folgten ihm.

«Der Fund ist etwas Besonderes, weil er ein Stück Alltagsgeschichte beschreibt», sagt der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD). Und obwohl auf dem Donaumarkt zum 100. Geburtstag des Freistaats Bayern im Jahr 2018 das Museum der Bayerischen Geschichte entstehen soll, will er die Funde nicht dort ausstellen. «Sie gehören uns, die geben wir nicht mehr her», betont Wolbergs mit einem Schmunzeln. Die Brotzeit soll im Historischen Museum der Stadt Regensburg zu sehen sein.

dpa