Faith No More kochen wieder auf großer Flamme

Faith No More können es noch. Foto: Dustin Rabin
Faith No More können es noch. Foto: Dustin Rabin

Man konnte sie nie so richtig fassen. Faith No More, prägende Alternative-Rock-Wegbereiter der 80er und 90er, passen in keine Schublade. Nach 18 Jahren Studio-Pause tritt die Band nun den Beweis an: Auch reifere Herren schwelgen noch gern in kreativer Anarchie. Im großen Schmelztiegel brodelt es wieder. Faith No More - bei Fans wie Kritikern hoch respektierte Mitbegründer der Crossover-Bewegung - legen nach langer Funkstille ein Comeback-Album vor. 

Noch immer mag es Stil-Puristen geben, die den nur schwer greifbaren Gemischtwarenladen des kalifornischen Quintetts eher irritierend finden. Gerade ihr unberechenbarer Cocktail aus Rock, Metal, Funk, Rap, Jazz und zuweilen sogar poppigen Ansätzen dürfte alten und neuen Anhängern aber auch an den frischen Songs gefallen. Bei manch einer Band wird der Import von Ideen aus möglichst vielen Genres zum Selbstzweck, um das Fehlen eines eigenen Profils zu tarnen - bei Faith No More ist die Grenzgängerei legitimer Kern der Identität. «Wir laden das Chaos ein, es wird nach einer Weile ganz normal», erklärt Bassist und Produzent Bill Gould. Der jüngste Wurf, den diese «kontrollierte Explosion» verschiedenster Zutaten hervorgebracht hat, heißt «Sol Invictus» - erster Longplayer seit «Album of the Year» (1997).

Immer wieder gab es Gerüchte, die fünf inzwischen etwas gereiften Herren wollten zurück ins Studio. Nach einer Reihe überraschender Auftritte auf großen Bühnen verdichteten sich die Anzeichen noch mehr. Im September 2014 ließ Gould dann die Katze aus dem Sack: Ja, es geht weiter - 18 Jahre nach der letzten CD, 17 nach der Trennung.

Herausgekommen ist eine schlanke, aber energiegeladene Sammlung von Stücken, die den alten Faden aufnimmt und zugleich neue Perspektiven einbringt. Faith No More - von Rock-Größen wie Nirvana, Metallica oder Anthrax als prägend bezeichnet - bieten dabei weit mehr als das, was einige Experten als «Funk Metal» zu etikettieren versuchten.

Wie früher sticht vor allem der Gesang von Frontmann Mike Patton hervor. «Schmachten, Schreien, alles unterfüttert mit ein bisschen Soul» - so umreißt Kollege Gould dessen Arbeit. Flüstern, Grummeln, Antreiben, Anklagen und Geschichtenerzählen gehören ebenfalls zu Pattons Repertoire. So kraftvoll und kernig viele Songs klingen, so mysteriös und experimentell können sie werden - nicht nur innerhalb des ganzen Albums, sondern teils innerhalb ein und desselben Lieds.

Das gilt auch für die übrige Instrumentierung. Mal sphärisch-offen, mal hämmernd-aggressiv, mal schnörkellos-aufgeräumt, mal krumm-verspielt kommen Gitarren (Jon Hudson), Schlagzeug (Mike Bordin) und Keyboards (Roddy Bottum) daher. Kaum etwas, was da nicht ausprobiert wird - dennoch wirkt nichts beliebig oder überflüssig.

«Hypnotisch und gotisch» nennt Gould die Rückkehr zu den Wurzeln der 1981 gegründeten Gruppe, in der zeitweise Courtney Love - Witwe des Nirvana-Sängers Kurt Cobain - am Mikrofon stand. Mit Patton und «The Real Thing» (1989) kam der Durchbruch, auch exzentrische Bühnen-Shows inspirierten viele. Die Band-Historie ist mittlerweile so lang, dass Gould - nicht ganz zu Unrecht - von einem Stück Rock-Zeitgeschichte spricht: «Unsere Musik war ein Soundtrack zu vielen Weltereignissen.»

Nach dem speziell in Europa erfolgreichen Lionel-Richie-Cover «Easy» auf dem Album «Angel Dust» (1992) und zwei weiteren Platten folgte 1998 das vorläufige Ende. Mit Soloausflügen und Neugründungen machte insbesondere Patton von sich reden - jetzt ist die Fünfer-Formation wiederhergestellt. «Viele unserer Songs fühlten sich neu an, als wir sie spielten», berichtet Gould. Und neue Fans seien hinzugekommen.

Von Ende Mai bis Ende Juni ist die Band nun auch viermal live in Deutschland zu sehen. Besteht die Gefahr, dass die Fan-Gemeinde nach all den Jahren des Schweigens ein wenig die Orientierung in der neuen, bunten Mixtur verliert? Gould jedenfalls gibt Entwarnung: «Selbst wenn wir uns entschließen würden, Country-Western-Musik aufzunehmen, würde es weiter klingen wie ein Faith-No-More-Album.»

Konzerttermine: 29.05. Nürburgring, Grüne-Hölle-Festival; 31.05. München, Rockavaria-Festival; 06.06. Berlin, Zitadelle; 23.06. Hamburg, Alsterdorfer Sporthalle

dpa