Obamas Rolle beim G7-Gipfel

Barack Obama erwartet im bayerischen Elmau ein G7-Gipfel, bei dem er sein ganzes Talent als politischer Bergsteiger unter Beweis stellen muss. Selten zuvor stand der US-Präsident vor so vielen Herausforderungen gleichzeitig wie an diesem Wochenende. Mit dem wieder auflodernden Konflikt in der Ukraine, dem Vormarsch der Terrortruppen des Islamischen Staats im Irak und den Widerstand gegen die internationalen Handelsabkommen, steht er am Fuße des Wettersteins vor einer Steilwand. Einfacher dürfte ihm die Aufgabe fallen, Gastgeber Deutschland zu umgarnen. 

Während das Verhältnis zu seiner Verbündeten im Kanzleramt, die er vertraut "Angela" nennt, die Verstimmung nach der Handy-Affäre überstanden zu haben scheint, empfinden gerade die jüngeren Deutschen nach den NSA-Enthüllungen eine wachsende emotionale Distanz zu den Amerikanern. Obama versteht, dass er das Leben der Bundeskanzlerin leichter macht, wenn er mit einer Charmeoffensive die "Krauts" für sich einnehmen kann. Deshalb wird der ranke Präsident gewiss PR-wirksam die deftige bayerische Küche kosten und für eine Fülle harmonischer Bilder vor Alpenkulisse beim Zweiertreffen mit Merkel am Sonntag im 2 000-Seelendorf Krün sorgen. Da Obamas persönliches Ansehen immer noch recht hoch ist, lohnt sich der Versuch allemal. Zumal Deutschland auf internationaler Bühne heute zum wichtigsten Verbündeten der USA aufgestiegen ist. Von der Krise in der Ukraine bis zu den Handelsgesprächen wendet sich Obama nicht an den britischen Premierminister oder an den französischen Präsidenten, sondern an die deutsche Regierungschefin, deren abgeklärte Coolness seinem Naturell sehr entgegenkommt. Merkel signalisierte im Vorfeld des G7-Gipfels, auch künftig die Rolle der Bergführerin in Europa übernehmen zu wollen. Sie ging nicht so weit wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der wie andere Genossen öffentlich darüber lamentierte, wie sehr Russland gebraucht werde und wie wenig der Westen ein Interesse daran haben könne aus der G8 auf Dauer ein G7-Format zu machen. Die Kanzlerin sagte unmissverständlich, was auch Obama denkt: Eine Teilnahme Wladimir Putins sei unter gegeben Umständen nicht vorstellbar. Der Präsident wird den Gipfel darauf einschwören, das Prinzip der Unverletzbarkeit der Grenzen souveräner Staaten in Europa zu verteidigen und deshalb an den Sanktionen festzuhalten. Selbst wenn sich der russische Präsident davon bisher wenig beeindrucken lässt. Dass Obama vor Waffenlieferungen an die Ukraine absieht, ist der Preis transatlantischer Einheit, den die Kanzlerin ihm abverlangt. Im Kampf gegen den so genannten "Islamischen Staat" geht es dem Präsidenten ebenfalls darum, die Einheit der G7 zu wahren. Statt einer durchschlagenden Strategie gegen die Extremisten gibt es nüchtern betrachtet nicht viel mehr als einen Minimal-Konsens darüber, was man nicht tun will: Bodentruppen zurück in den Irak oder nach Syrien zu schicken. Obama muss seine Skeptiker in Elmau davon überzeugen, dass auf Sicht zu fahren, am Ende auch zum Ziel führt. In Punkto Handelsabkommen rennt er auf dem Gipfel offene Türen ein. Hier geht es dem Präsidenten mehr darum, den Verhandlungspartnern zu versichern, überhaupt ein Mandat für die komplexen Gespräche zu haben. Denn ohne die so genannte "Fast Track"-Handelsbevollmächtigung durch den US-Kongress werden weder ein transatlantisches TTIP- noch ein transpazifisches TPP-Abkommen zu seiner Amtszeit in trockene Tücher gebracht werden können. All das erklärt, warum der Präsident die Erwartungen vor dem Gipfel herunterschraubt. Er ahnt, dass die G-7 in Elmau bestenfalls eine kleine Etappe bewältigen kann. 

hk