Gauck attackiert Fremdenfeinde

Bundespräsident Gauck: «Wir erleben, dass sich fremdenfeindliche Haltungen festsetzen». Foto: Felix Kästle/Archiv
Bundespräsident Gauck: «Wir erleben, dass sich fremdenfeindliche Haltungen festsetzen». Foto: Felix Kästle/Archiv

Wer sind wir? Bundespräsident Gauck fragt nach der Identität Deutschlands.

Fremdenfeindliche Aktionen nennt er «widerwärtig» und beklagt Schweigen und Sprachlosigkeit. Aber er weiß auch: Jeder Men-talitätswandel braucht Zeit.

Bundespräsident Joachim Gauck hat angesichts neuer fremdenfeindlicher Übergriffe eindringlich für mehr Toleranz und Offenheit geworben. Alle seien aufgerufen, auf Argument und Dialog zu setzen und nicht auf Ausgrenzung und Gewalt, sagte Gauck bei einer Veranstaltung im Berlin.

Gauck betonte nach Angaben des Präsidialamts: «Wir erleben, dass sich fremdenfeindliche Haltungen festsetzen, manche Menschen nicht einmal mehr vor Übergriffen zurückschrecken. Ich denke an diesem Punkt an das, was wir kürzlich wieder erlebt haben mit diesen widerwärtigen Angriffen auf Flüchtlingsheime.» Der Bundespräsident sagte: «Es ist ja unerträglich, dass in einer Gesellschaft gleichzeitig Menschen, Einrichtungen, Institutionen existieren, die weltweit als Vorbild gelten können. Und gleichzeitig in derselben Gesellschaft diese Teile einer Bevölkerung existieren, die all das, was uns bewegt, eben genau nicht wollen.»

Oft herrsche Sprachlosigkeit, beklagte Gauck. «Wir reden einfach nicht genug miteinander.» Das betreffe Einheimische und Zuwanderer, die Mehrheitsgesellschaft und die Minderheiten, aber auch Einwanderer untereinander. «Einige bleiben, je nach Herkunftsland, lieber unter sich.» Eine neue Gemeinschaft könne aber nicht entstehen, «wenn wir schweigend nebeneinander her leben – sei es aus Absicht oder Unwissenheit, aus Ignoranz, Unsicherheit oder Überforderung».

Unter dem Titel «Wer ist wir? Identität - Zugehörigkeit - Zusammenhalt in Deutschland» hatte Gauck zu einem Symposium in seinem Amtssitz Schloss Bellevue eingeladen. Dort sagte er laut Redemanuskript: «Ich denke, wir stehen noch ziemlich am Anfang eines Prozesses, in dem aus alter Mehrheitsgesellschaft und Einwanderern ein verändertes Deutschland hervorgehen wird.» Irgendwann werde es selbstverständlich sein, «dass der oder die Deutsche auch schwarz, muslimisch oder asiatisch sein kann».

Gauck sagte aber auch: «Wer erfolgreiche Integration  als möglichst weitgehende Anpassung versteht, die am besten noch binnen einer Generation zu erfolgen hat, der kennt die menschliche Seele nicht. Identitätsveränderung und Mentalitätswandel vollziehen sich langsam, sie lassen sich nicht erzwingen.»

dpa