Rainald Goetz erhält den Georg-Büchner-Preis

Autor Rainald Goetz gilt als Beobachter und Chronist der Gegenwart, mit einem «empfindlichen historischen Bewusstsein». Der Büchner-Preis ist die Krönung seiner literarischen Karriere. Auszeichnung für einen «moralisch urteilenden Beobachter»: Der Georg-Büchner-Preis geht in diesem Jahr an den Autor Rainald Goetz. Der Preis ist mit 50 000 Euro dotiert und gilt als wichtigste literarische Ehrung in Deutschland.

Der 61-Jährige Goetz habe sich «mit einzigartiger Intensität zum Chronisten der Gegenwart und ihrer Kultur gemacht», begründete die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung am Mittwoch in Darmstadt die Entscheidung. Die Preisverleihung ist am 31. Oktober 2015 in Darmstadt vorgesehen. Die Akademie vergibt die Auszeichnung seit 1951. Der in München geborene Goetz arbeitete zunächst kurz als Arzt, gab den Beruf aber mit Anfang 30 zugunsten der Literatur auf. Er habe «immer wieder neue Formen und Medien erprobt: Erzählung, Roman, Drama, Blog und Text-Bild-Collage», meinte die Akademie weiter. «Rainald Goetz hat die deutsche Gegenwart der letzten 30 Jahre beschrieben, zur Anschauung und zu Wort kommen lassen, er hat sie gefeiert und verdammt und immer wieder auch mit den Mitteln der Theorie analysiert», hieß es. «Hinter seiner nervösen, gespannten Erfahrungsbereitschaft stehen eine weite Bildung und ein empfindliches historisches Bewusstsein, die seiner Sprache eine Balance von leidenschaftlicher Expressivität, beobachtender Kühle und satirischer Deutlichkeit ermöglichen.»

Sein erster Roman «Irre», eine Erzählung aus der Psychiatrie, erschien 1983. Im Jahr 1998 habe Goetz das Internettagebuch «Abfall für alle» geschrieben, das wohl erste literarische Blog in Deutschland mit Eintragungen zur Medien- und Konsumwelt. 1999 sei dies in Buchform erschienen und zähle mit den vier Publikationen «Rave», «Jeff Koons», «Celebration» und «Dekonspiratione» zu «Heute Morgen», Goetz’ großer Geschichte der Gegenwart.

Von 2007 bis 2008 schrieb Goetz den Angaben zufolge das Blog «Klage» auf der Internetseite der Zeitschrift «Vanity Fair», das noch 2008 als Buch erschien. Sein jüngster Roman «Johann Holtrop» erzählt vom Aufstieg und Fall eines Managers.

Goetz erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Marieluise-Fleißer-Preis 2013, den Schiller-Gedächtnis-Preis 2013 sowie den Berliner Literaturpreis 2012 und den Wilhelm-Raabe-Preis 2000. «Wir freuen uns sehr», sagte die Sprecherin des Suhrkamp Verlags, Tanja Postpischil, zum Büchner-Preis für den Verlagsautor, der in Berlin lebt.

Literaturkritiker Denis Scheck bezeichnete Goetz als einen «genialen Ideenfänger». Der Autor sei «ein Gedankenbeschleuniger, ein Rühmer und Preiser einer allzu flüchtigen Gegenwart», sagte Scheck (50), Redakteur beim Deutschlandfunk und Moderator des ARD-Büchermagazins «Druckfrisch». Goetz besitze einen «ansteckenden Enthusiasmus», der «über seine Schwäche als Erzähler hinwegtröstet», wie Scheck einschränkte.

Zu der langen Reihe der Büchner-Preisträger zählen Gottfried Benn (1951), Erich Kästner (1957), Heinrich Böll (1967) sowie Hermann Kesten (1974) , Friedrich Dürrenmatt (1986), Felicitas Hoppe (2012) und Sibylle Lewitscharoff (2013). Im vergangenen Jahr war die Auszeichnung an Jürgen Becker gegangen.

Der Namensgeber des Preises, Georg Büchner, war deutscher Revolutionär und Dramatiker («Dantons Tod», «Woyzeck»). Der wegweisende Autor des 19. Jahrhunderts starb mit nur 23 Jahren am 19. Februar 1837 im Exil in Zürich an Typhus.

dpa