Servus "bayerischer Bua" - Schweinsteiger sucht Happy End

Trainer Louis van Gaal (l) und Bastian Schweinsteiger sind in Manchester wieder vereint. Foto: Andreas Gebert
Trainer Louis van Gaal (l) und Bastian Schweinsteiger sind in Manchester wieder vereint. Foto: Andreas Gebert

Der FC Bayern verliert ein Herzstück. Bastian Schweinsteigers Wechsel zu Manchester United wühlt die Fans in München auf. Der alternde Star greift noch einmal an. Nüchtern betrachtet macht der Transfer Sinn. «Einer der letzten Träume in meiner Karriere wird wahr», so der Profi. Persönlich «Servus» sagen mochte Bastian Schweinsteiger den aufgewühlten Bayern-Fans nicht. Der in München als «Fußballgott» verehrte Weltmeister war längst in die Zukunft, in seine neue Wahlheimat England und zu seinem neuen Verein Manchester United aufgebrochen.

Karl-Heinz Rummenigge musste am Wochenende bei der Teampräsentation des FC Bayern Pfiffe der über 60 000 Anhänger aushalten, als er in der Münchner Arena den spektakulären Blitztransfer verkündete. Nach 17 Jahren und 18 großen Vereinstiteln endete die Ära Schweinsteiger beim deutschen Rekordchampion abrupt.

Mit einer 79-sekündigen Videobotschaft und zwei Fotos aus einem Flugzeug verabschiedete sich Schweinsteiger dann am Sonntag in den sozialen Netzwerken. «Ich hoffe, liebe Fans, dass ihr mich versteht, dass ich diesen Weg jetzt gewählt habe. Ich glaube das ist eine tolle Herausforderung und ich freue mich sehr darauf, aber natürlich werde ich Euch nie vergessen», erklärte er. Das Bayern-Idol bedankte sich bei Fans und Mitarbeitern. «Wir werden für immer miteinander verbunden sein. Ich werde Euch immer in meinem Herzen tragen.» Wenig später fügte Schweinsteiger die Fotos aus dem Flieger hinzu und teilte mit: «Einer der letzten Träume in meiner Karriere wird wahr.»

Vom Bayern-Rot ins rote Dress der «Red Devils» - Schweinsteigers Wechsel vom deutschen zum englischen Rekordmeister erzürnte viele Anhänger. In der nüchternen Betrachtung des Fußball-Business ist es jedoch ein Millionen-Deal, der für alle Partien Sinn ergeben kann. Einem Spieler mit «extremen Verdiensten» habe man den Wunsch für «eine neue Erfahrung, die ihm in seinem Leben guttun wird», nicht verbauen wollen, begründete Rummenigge: «Wir wären ein bisschen hartherzig, wenn wir dem einen Riegel vorschieben würden.»

Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft ist den Lockrufen aus Manchester, wo er wieder mit seinem früheren Förderer Louis van Gaal zusammenarbeiten wird, erlegen. Das Werben schmeichelte einem Mann, der keine Lust auf die Abschiedstour eines alternden Stars in München verspürte, sondern in seinem neuen Leben mit der serbischen Tennis-Queen Ana Ivanovic auch sportlich noch einen neuen Impuls setzen möchte.

Ein Dreijahresvertrag mit einem fürstliches Gehalt soll Schweinsteiger unterschreiben, bevor er schon am Montag mit den neuen Kollegen wie Wayne Rooney in die USA reisen könnte. Bundestrainer Joachim Löw sieht in Schweinsteigers Wechsel ein starkes Signal für die kommende EM-Saison: «Er kennt Louis van Gaal, der ihn unbedingt haben wollte, das sind gute Voraussetzungen. Ich bin davon überzeugt, dass der neue Reiz der Premier League Basti gut tun wird, ich weiß von ihm, dass er noch große Ambitionen und Ziele hat.»

In einem «sehr seriösen und ausführlichen Gespräch» hatte der Ur-Bayer Schweinsteiger Bayern-Chef Rummenigge direkt nach der Rückkehr aus dem Urlaub am Freitag eröffnet, den reizvollen letzten Karriereschritt auf der Insel wagen zu wollen. «Klar und deutlich» habe Schweinsteiger die Bitte formuliert, ein Jahr vor Vertragsende.

Rummenigge zeigte «Verständnis» für das Ansinnen und fand mit den Bossen von ManUnited rasch «eine sehr faire, sehr seriöse Lösung». Die Ablösesumme wird auf 15 bis 20 Millionen Euro taxiert. Das ist gutes Geld für einen Spieler von fast 31 Jahren, der in den vergangenen Jahren häufig und lange verletzt fehlte, dessen Verlust sportlich verkraftbar sein könnte, aber emotional nachhallen wird. Schweinsteigers langjähriger Weggefährte Philipp Lahm brachte es am besten auf den Punkt: «Es ist schade. Er ist ein bayerischer Bua und wird uns fehlen, definitiv», äußerte der Kapitän. Ein Herzstück ist weggebrochen im internationalen Münchner Starensemble.

Ein Schweinsteiger-Abschied für immer soll es aber nicht sein. «Er hat Großartiges geleistet für Bayern München und alles gewonnen, was man gewinnen kann im Clubfußball», erinnerte Rummenigge. Club-Weltmeister, Champions-League-Sieger, achtmal deutscher Meister, siebenmal Pokalsieger - und als Höhepunkt das historische Triple 2013 unter Trainer Jupp Heynckes. Ein großes Abschiedsspiel in der Allianz Arena nach der Karriere wurde Schweinsteiger zugesagt, ebenso ein Gespräch «über eine gemeinsame Zukunft in der zweiten Karriere», wie Rummenigge verriet: «Die Tür ist immer auf!»

In Manchester plant derweil van Gaal Schweinsteiger als neuen Leader ein, und das auf dessen Lieblingsposition zentral vor der Abwehr. Nationaltorhüter Manuel Neuer wünschte seinem Freund, «dass er verletzungsfrei bleibt und schnell Fuß fasst in Manchester».

Pep Guardiola setzte auch stets auf Schweinsteiger, wenn er gesund und fit war. Aber im mit Stars gespickten Münchner Mittelfeld musste er oft offensiver agieren. Guardiola bleibt es nun erspart, womöglich eine Ikone häufiger auf die Bank zu setzen. Wobei Rummenigge den Spanier beim Wechsel aus der Schusslinie zu nehmen versuchte: «Dass Basti wegen dem Trainer geflüchtet ist, kann man total vergessen.»

Der FC Bayern hat mit Schweinsteiger den schwierigen Umbruch eingeleitet, die Abschiedsjahre großer Spieler eröffnet: Lahm (31), Arjen Robben (31), der aktuell immer noch verletzte Franck Ribéry (32) werden mit den Jahren folgen. «Irgendwann ist die Karriere mal zu Ende. Von uns wird auch verlangt, einen Übergang zu schaffen», verdeutlichte Rummenigge. Talente wie Rückkehrer Pierre-Emile Højbjerg (19) oder Neuzugang Joshua Kimmich (20) stellen die Zukunft dar, auch wenn «Basti nicht eins zu eins zu ersetzen» sei, wie Sportvorstand Matthias Sammer sagte. Erst die großen Spiele der neuen Saison werden zeigen, wie groß Schweinsteigers Abschied wiegt.

dpa