Nahles will Hürden für Arbeitslosengeld senken

Will nach einem Medienbericht mehr Arbeitslose zum Bezug von Arbeitslosengeld I verhelfen: Bundesarbeitsministerin Nahles. Foto: Bernd von Jutrczenka
Will nach einem Medienbericht mehr Arbeitslose zum Bezug von Arbeitslosengeld I verhelfen: Bundesarbeitsministerin Nahles. Foto: Bernd von Jutrczenka

Immer mehr Menschen arbeiten in Jobs, in denen nur für einige Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt wird. Verlieren sie ihren Arbeitsplatz, haben sie keinen Schutz, weil sie nicht lange genug Beiträge eingezahlt haben. Das soll sich ändern. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will mehr Arbeitslosen zum Bezug von Arbeitslosengeld I verhelfen und so die soziale Absicherung an den Job-Wandel anpassen. Dafür sollen die Hürden für Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung gesenkt werden.

Ein Ministeriumssprecher bestätigte in Berlin einen Bericht der «Wirtschaftswoche». Bislang müssen in den 24 Monaten vor einem Jobverlust 12 Monate Beiträge in die Sozialversicherung einbezahlt worden sein, damit Arbeitslosengeld I ausbezahlt wird. Diese Frist will Nahles nun von 24 auf 36 Monate ausdehnen. Die Unionsfraktion reagierte zurückhaltend. Arbeitsmarktexperte Karl Schiewerling (CDU) beurteilte den Vorschlag skeptisch. Eine generelle Ausweitung der Rahmenfrist sei im Koalitionsvertrag nicht verabredet und teuer.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützt eine Rahmenfrist von drei Jahren. So hätten auch Personen, die immer wieder ihren Job verlieren und oft nur kurz beschäftigt sind, Chancen, in die Arbeitslosenversicherung zurückzukehren. Grüne und Linke forderten weitergehende Schritte.

Eine Verlängerung der Rahmenfrist auf drei Jahre hatte Nahles schon Anfang des Jahres vorgeschlagen. Seinerzeit sagte sie: «Wir brauchen für die neuen, unsteteren Arbeitswelten flexiblere Regeln.» Hintergrund ist auch die neue Arbeitswelt durch Digitalisierung. Dieser Wandel benötigt aus Sicht von Arbeitsmarktexperten ebenfalls eine wirksame Absicherung. Die Arbeitslosenversicherung müsse ihren Zweck auch unter veränderten Umständen erfüllen können.

Für Beschäftigte in Kultur und Medien gibt es bereits eine solche Sonderregelung. Jetzt geht es darum, ob und wie diese ausgedehnt wird. Entscheidungen sind nach Angaben des Arbeitsministeriums noch nicht gefallen. Die Kosten hingen von der Ausgestaltung ab.

Schiewerling erklärte, es gehe um eine bessere Absicherung von Kulturschaffenden und kurzfristig Beschäftigten. Und es müsse alles getan werden, Arbeitslose wieder stärker in Beschäftigung zu bringen: «Die Absenkung der Hürden für den Bezug von Arbeitslosengeld ist mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe verbunden. Sie dient diesen Zielen nicht.»

Laut «Wirtschaftswoche» rechnet das Arbeitsministerium bei einer verlängerten Rahmenfrist mit rund 52 000 zusätzlichen Empfängern von Arbeitslosengeld I. Das würde die Bundesagentur für Arbeit 2016 mit 305 Millionen Euro extra belasten. Bund, Länder und Kommunen dagegen würden 68 Millionen Euro sparen, weil es weniger Hartz-IV-Empfänger gäbe. Insgesamt bliebe eine Mehrbelastung von 237 Millionen Euro.

«Die Reform ist überfällig», sagte DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Jeder vierte Arbeitslose lande direkt im Hartz-IV-System, obwohl viele von ihnen zuvor Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.

Brigitte Pothmer von den Grünen nannte das Ziel richtig. Mit einer längeren Rahmenfrist erweise Nahles kurzfristig Beschäftigten aber einen Bärendienst: «Wenn Nahles wirkliche Verbesserungen statt Scheinlösungen will, dann müssen die Beitrags- und Anwartschaftszeiten grundlegend reformiert werden.»

Die Linken-Politikerin Sabine Zimmermann forderte, auch die Anwartschaftszeit müsse generell auf sechs Monate verkürzt, die Dauer des Anspruchs geändert werden.

dpa