Krankenversicherten drohen höhere Beiträge

Laut einer «Handelsblatt»-Umfrage schaut es düster aus bei den gesetzlichen Krankenkassen. Im ersten Halbjahr 2015 lag das Defizit demnach bei fast einer halben Milliarde Euro. Foto: Robert Schlesinger
Laut einer «Handelsblatt»-Umfrage schaut es düster aus bei den gesetzlichen Krankenkassen. Im ersten Halbjahr 2015 lag das Defizit demnach bei fast einer halben Milliarde Euro. Foto: Robert Schlesinger

Nach Jahren mit Überschüssen wird das Geld bei den Krankenkassen knapper. Nun zeichnet sich ein deutliches Defizit ab - und damit höhere Beiträge. Und die Reformen der Regierung bringen weitere Belastungen, sagen die Kassen. Die gesetzlich Krankenversicherten müssen im kommenden Jahr mit höheren Beiträgen rechnen, weil die Defizite der Kassen deutlich zunehmen.

«Zum Jahreswechsel ist ein Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,2 bis 0,3 Beitragssatzpunkte realistisch», sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes Florian Lanz am Dienstag in Berlin. 

Die SPD will angesichts dieser Entwicklung wieder zur paritätischen Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber zurückkehren. Nach Jahren mit Überschüssen und Prämienzahlungen an ihre Mitglieder fuhren die Krankenkassen laut «Handelsblatt» (Dienstag) im ersten Halbjahr ein Defizit von fast einer halben Milliarde Euro ein. Die Innungskrankenkassen lagen bei einem Minus von 118 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen bei 100 Millionen, die Ersatzkassen bei 191 Millionen Euro. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) hatten ein Defizit von 110 Millionen Euro.

Der GKV-Spitzenverband begründet diese Entwicklung damit, dass der bis Ende vergangenen Jahres geltende Einheitsbeitrag von 15,5 Prozent etlichen Kassen mehr Geld einbrachte, als sie tatsächlich an Ausgaben hatten. So konnten sie zum Teil Prämien auszahlen. Hinzu kommen Mehrausgaben vor allem für Arzneimittel und Kliniken.

Ende 2014 verfügte die Gesetzliche Krankenversicherung noch über ein Finanzpolster von mehr als 28 Milliarden Euro. Die Reserve des Gesundheitsfonds belief sich auf 12,5 Milliarden, die der Kassen auf 15,5 Milliarden Euro.

Der Beitragssatz zur Krankenversicherung setzt sich seit Jahresbeginn zusammen aus einem allgemeinen, festen Bestandteil von 14,6 Prozent, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte bezahlen, sowie einem Zusatzbeitrag. Diesen bestimmen die Kassen nach Finanzlage regelmäßig neu. Er wird allein von den Arbeitnehmern getragen.

Für das laufende Jahr wird mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 0,9 Prozentpunkten gerechnet. Manche Kassen liegen unter diesem Durchschnittswert, manche leicht darüber. Stiege der Zusatzbeitrag zum Jahreswechsel um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte, wäre das bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3000 Euro eine Mehrbelastung für den Arbeitnehmer von 9 Euro.

Der für Gesundheitspolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach unterstrich, die Arbeitnehmer könnten die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht allein tragen. Er wies - ähnlich wie Lanz - darauf hin, dass die Reformen der großen Koalition von Union und SPD Mehrkosten bedeuteten, etwa für die Krankenpflege, für eine bessere Versorgung der ländlichen Regionen mit Ärzten oder für Kliniken.

Das Ministerium erklärte, es gebe keinen Anlass, den Beratungen des Schätzerkreises durch Spekulationen vorzugreifen. Das Gremium trete im Oktober zusammen, um seine Einnahmen und Ausgaben-Prognose für das Folgejahr vorzunehmen. Die Ergebnisse werden im November vorliegen. Die «Bild»-Zeitung zitierte indessen aus einer Unterrichtung des Bundestages durch das Finanzministerium, in der «eine Steigerung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags bei der Gesetzlichen Krankenversicherung» nicht mehr völlig ausgeschlossen scheint.

Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink erklärte: «Bis 2017 werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Zusatzbeiträgen von 1,4 bis 2 Prozent rechnen müssen.» Durch das Einfrieren des Arbeitgeberanteils bei 7,3 Prozent müssten nun allein die Versicherten die stetig steigenden Kosten schultern.

dpa