Deutschland hat mit Grenzkontrollen begonnen

Stau an der deutsch-österreichischen Grenze. Bereits am Sonntagabend waren im Grenzgebiet zu Österreich Kontrollpunkte eingerichtet worden. Foto: Barbara Gindl
Stau an der deutsch-österreichischen Grenze. Bereits am Sonntagabend waren im Grenzgebiet zu Österreich Kontrollpunkte eingerichtet worden. Foto: Barbara Gindl

Deutschland kontrolliert seit Sonntagabend wieder die Grenze zu Österreich. Zunächst aber offenbar nur sporadisch. Ob das Flüchtlinge aufhalten kann, muss sich zeigen. Ob der Schritt Eindruck auf die in Brüssel tagenden EU-Innenminister macht, ist ebenfalls offen. Deutschland hat seine Ankündigung, wegen des unkontrollierten Flüchtlingszustroms wieder Grenzkontrollen einzuführen, umgehend umgesetzt. So richtete die Polizei im Grenzgebiet zu Österreich am Sonntagabend Kontrollpunkte ein.

Es seien aber nur vereinzelt und stichprobenartig Fahrzeuge angehalten und überprüft worden, berichtete ein dpa-Reporter von der Grenze bei Bad Reichenhall. Unterdessen hat die Deutsche Bahn den Zugverkehr zwischen Deutschland und Österreich um 7.00 Uhr teilweise wieder aufgenommen. Ausgenommen ist zunächst die Strecke zwischen Salzburg und München. Dort befänden sich Menschen auf den Bahngleisen, weshalb hier noch nicht gefahren werden könne, sagte ein Bahn-Sprecher in Berlin.

Am Sonntagnachmittag war der Zugverkehr zwischen den beiden Ländern auf Weisung der Bundesbehörden unterbrochen worden.

Heute treffen sich in Brüssel die EU-Innenminister, um über das Vorgehen in der Flüchtlingskrise zu beraten. Konkret geht es um die Verteilung von 120 000 Flüchtlingen aus Griechenland, Italien und Ungarn auf andere EU-Länder. Dies hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vorgeschlagen. Bei einer Sondersitzung der ständigen EU-Botschafter der Mitgliedstaaten in Brüssel zeigte sich am Sonntag, dass diese Frage weiter umstritten ist.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière zeigte sich allerdings vorsichtig optimistisch hinsichtlich eines Entgegenkommens der anderen EU-Staaten: «Nun, das sieht nicht so schlecht aus, wie es vor der Sommerpause aussah, aber ich halte nichts davon vor Verhandlungen schon Wasserstandsmeldungen abzugeben. Wir werden kämpfen», sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in einem ARD-«Brennpunkt». Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte sich am Sonntagabend hierüber mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande ab.

Als Reaktion auf den Andrang Zehntausender Flüchtlinge hatte de Maizière am Sonntagabend angekündigt, dass Deutschland wieder Grenzkontrollen einführt. Schwerpunkt ist zunächst die Grenze zu Österreich. Zudem unterbrach die Deutsche Bahn den aus Österreich kommenden Zugverkehr bis zu diesem Morgen um 7 Uhr.

De Maizière ließ offen, wie lange Deutschland wieder Grenzkontrollen vornehmen wird. Die Rechtslage lasse nur vorübergehende Kontrollen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zu, sagte er in der ARD. «Darum geht es hier. Und das wäre nicht gut, wenn wir vorher sagen würden, wir lange das geht. Das machen wir jetzt mal eine Weile.»

Die Zuwanderung hatte am Wochenende noch einmal stark zugenommen. Viele Länder sehen die Belastungsgrenze erreicht. Allein nach München kamen am Samstag und Sonntag mindestens 16 500 Menschen.

De Maizière begründete das deutsche Vorgehen mit dem Ziel, die Zuwanderung zu begrenzen und wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zu kommen. «Das ist auch aus Sicherheitsgründen dringend erforderlich.» In der ARD räumte er ein, die Dinge seien «aus dem Ruder geraten».

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), sprach von einer «absoluten Notlösung». Die Rückkehr zu Kontrollen sei «kein Königsweg bei der Lösung der Flüchtlingsproblematik, verschafft uns aber Luft, um zu geordneten Verhältnissen zurückzukommen». Auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner wertete das Vorgehen nach einem Treffen der Unionsfraktionsvorsitzenden der Länder mit Kanzlerin Merkel in Berlin als Notlösung.

Deutliche Kritik kam von der SPD-Linken im Bundestag. «Wir brauchen jetzt schnell ein gemeinsames Vorgehen in Europa statt nationale Alleingänge», sagte ihr Sprecher Matthias Miersch. Auch Linkspartei und Grüne kritisierten das Vorgehen Deutschlands. «Grenzen kann man schließen, aber die Probleme löst man damit nicht», erklärte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Deutschland und Österreich warnte vor den Folgen für Flüchtlinge, die nun nicht mehr weiterkommen: «Flüchtlinge in Ungarn drohen im lebensgefährlichen Chaos zu versinken.» Die ungarische Polizei versetzte Beamte in vier Regionen in Alarmbereitschaft. Ungarn will an diesem Dienstag seine Flüchtlingspolitik drastisch verschärfen und die Grenze praktisch schließen.

Am Dienstag trifft Merkel den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann in Berlin. Dessen Außenminister Sebastian Kurz erklärte, Österreich müsse sich an Deutschland orientieren und ebenfalls Grenzkontrollen einführen, um «verheerende Auswirkungen» abzuwenden. «Sonst droht die totale Überforderung unserer Landes in nur wenigen Tagen».

dpa