Abgas-Krise trifft VW-Gewinn: Winterkorn will bleiben

n einem Video-Statement entschuldigte sich VW-Vorstandschef Martin Winterkorn für die manipulierten Abgaswerte von Dieselfahrzeugen in den USA. Foto: Julian Stratenschulte/AP
n einem Video-Statement entschuldigte sich VW-Vorstandschef Martin Winterkorn für die manipulierten Abgaswerte von Dieselfahrzeugen in den USA. Foto: Julian Stratenschulte/AP

Im Abgas-Skandal bei Volkswagen bittet der Chef öffentlich um Entschuldigung: Martin Winterkorn will trotz aller Kritik an seinem Job festhalten. Weltweit sind elf Millionen Wagen betroffen, der Konzern bildet Milliarden-Rückstellungen, der Gewinn dürfte leiden. Im Abgas-Skandal bei Volkswagen will Vorstandschef Martin Winterkorn durchhalten - die Affäre um manipulierte Testwerte bei Dieselwagen trifft den Konzern aber ins Mark.

Der VW-Chef bat in einem Videoauftritt öffentlich um Entschuldigung für die neue Krise bei Europas größtem Autobauer, er versprach rasche und transparente Aufklärung und Wiedergutmachung.  Vorsichtshalber musste VW aber bereits eine Milliarden-Rückstellung bilden und die Gewinnziele für das laufenden Geschäftsjahr kassieren. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) setzt unterdessen eine Untersuchungskommission ein. Sie wird unter der Leitung von Verkehrs-Staatssekretär Michael Odenwald noch in dieser Woche nach Wolfsburg reisen, sagte der Minister in Berlin.

«Es tut mir unendlich leid, dass wir dieses Vertrauen enttäuscht haben. Ich entschuldige mich in aller Form bei unseren Kunden, bei den Behörden und der gesamten Öffentlichkeit für das Fehlverhalten», betonte Winterkorn. Es wäre falsch, wenn jetzt «wegen der schlimmen Fehler einiger weniger» die Arbeit von 600 000 Mitarbeitern unter Generalverdacht geraten würde. «Die Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren unseres Konzerns widersprechen allem, für was Volkswagen steht», sagte der 68-Jährige, über dessen Rücktritt es bereits Spekulationen in Medienberichten gegeben hatte.

Infolge der Manipulationen von Abgastests bei VW-Dieselautos in den USA war der Druck auf Winterkorn zuletzt stark gestiegen. Sein Vertrag sollte formal an diesem Freitag vorzeitig bis Ende 2018 verlängert werden. Die Wolfsburger hatten zuvor zugegeben, dass es weltweit Unregelmäßigkeiten bei rund elf Millionen Fahrzeugen gibt.

Wegen des Skandals muss Volkswagen Milliarden zurücklegen. Auch den für 2015 angepeilten Gewinn dürften die Wolfsburger nicht halten können. Bereits im dritten Quartal würden etwa 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt, hieß es. An der Frankfurter Börse rutschte die Aktie daraufhin erneut ab - nach Milliardenverlusten schon am Montag.

Auch die EU-Kommission nimmt den VW-Skandal ernst und will mit den 28 Mitgliedstaaten mögliche Schritte beraten. Frankreichs Regierung forderte eine Untersuchung auf EU-Ebene. Die in harter Konkurrenz zu den deutschen Autokonzernen stehenden französischen Hersteller unterstützten den Vorstoß. Damit werde deutlich, dass französische Autobauer Vorgaben der Länder respektierten, in denen sie operierten, hieß es beim Herstellerverband CCFA.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schaltete sich ebenfalls ein und forderte «angesichts der schwierigen Lage» eine rasche und volle Aufklärung. Es sei richtig, dass der Bundesverkehrsminister zusammen mit dem Kraftfahrzeugbundesamt die notwendigen Gespräche führe. Dies sei der einzige Weg, um auch Transparenz zu erreichen.

Winterkorn hatte zuvor eine externe Untersuchung und rasche Aufklärung zugesagt. Am Mittwoch will sich der innerste Zirkel des Aufsichtsrats bei einem Krisentreffen mit dem Thema beschäftigten, verlautete aus VW-Kreisen. Nur zwei Tage später steht die normale Aufsichtsratssitzung an, auf der Winterkorns Vertrag verlängert werden soll. Angesichts der Dimension der Krise mehrten sich aber auch Stimmen, die persönliche Konsequenzen des Managers forderten.

Niedersachsens ehemaliger Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) schlug eine Verschiebung der Vertragsverlängerung für Winterkorn vor. «Solange nicht lückenlos aufgeklärt ist, wer im Konzern von den Manipulationen wusste und vom wem sie angeordnet wurden, sollte hier keine Entscheidung gefällt werden», sagte Bode, der selbst von 2009 bis 2013 Mitglied des VW-Aufsichtsrates war.

Nach VW-Angaben ergaben Untersuchungen im Konzern, dass es die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Autos außerhalb der USA gebe, wo Ermittlungen der Umweltbehörde EPA den Fall ins Rollen gebracht hatten. Bei Tests in den USA war festgestellt worden, dass einige VW-Diesel-Modelle auf dem Prüfstand deutlich geringere Abgaswerte anzeigten als im normalen Fahrbetrieb auf der Straße.

Wörtlich heißt es in einer Mitteilung der Wolfsburger: «Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt.» Der Konzern stehe in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem deutschen Kraftfahrtbundesamt, um diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen.

Neben einem Imageverlust drohen VW allein in den USA Strafzahlungen von bis zu 18 Milliarden Dollar, Rückrufkosten, strafrechtliche Folgen sowie mögliche Regressansprüche enttäuschter Kunden und Aktionäre. Die Wolfsburger hatten bereits ein Fehlverhalten eingeräumt und versprochen, mit der EPA zu kooperieren. Der Konzern erließ einen Verkaufsstopp für die betreffenden Modelle in den USA.

Auch in anderen Absatzmärkten rührte sich Misstrauen. Südkorea will ab Oktober Sondertests für VW bei Modellen der Marken Volkswagen und Audi durchführen. Auch Australien dringt auf Aufklärung: VW müsse klären, ob betroffene Modelle dort verkauft worden seien.

«Eine solche Abgas-Betrügerei täuscht ja nicht nur die Kunden», sagte die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger. «Sie führt auch zu deutlich schlechterer Luft. Das gefährdet die Gesundheit.»

Der Greenpeace-Verkehrsexperte Daniel Moser meinte: «Offensichtlich kann VW nur mit gefälschten Werten die tatsächliche Gesundheitsgefahr von Dieselmotoren kaschieren. Das gilt auch für Deutschland.» Er forderte: «Statt gesundheitsschädliche Dieselmotoren noch immer mit unglaublichen 7 Milliarden Euro pro Jahr zu begünstigen, muss die Bundesregierung jetzt endlich effektiv die Bevölkerung schützen.»

dpa