Neuheiten von Apple: Das iPhone 6S und 6S Plus im Test

Äußerlich unverändert aber viel Neues im Inneren. Apple hat seine iPhones überarbeitet. Links das iPhone 6S Plus, rechts das iPhone 6S. Foto: Andrea Warnecke
Äußerlich unverändert aber viel Neues im Inneren. Apple hat seine iPhones überarbeitet. Links das iPhone 6S Plus, rechts das iPhone 6S. Foto: Andrea Warnecke

Auf den ersten Blick ist die neue iPhone-Generation nicht von den Vorgängermodellen zu unterscheiden. Dennoch hat Apple einiges geändert. Im Test überzeugt das iPhone 6S und 6S Plus mit dem neuen Bedienkonzept 3D Touch. Auch die neue Kamera des Geräts beeindruckt. Wenn man sich als Käufer eines neuen iPhones nicht gerade für die neue Apple-Modefarbe Roségold entscheidet, wird man mit den beiden neuen Modellen in der Öffentlichkeit nicht besonders auffallen.

Selbst Experten werden rein äußerlich keinen Unterschied zwischen dem iPhone 6S oder 6S Plus zu den Modellen aus dem Vorjahr ausmachen. Nur das «S» im Aufdruck auf der Rückseite verrät den sonst unsichtbaren Unterschied. Trotzdem wirbt Apple mit der Behauptung «Das Einzige, was sich geändert hat, ist alles». Das klingt widersprüchlich, trotzdem steckt im Apple-Spruch ein wahrer Kern. Das kann man schon am Gehäuse festmachen: In Form unverändert, verwendet Apple in den beiden S-Modellen nun eine deutlich härtere Legierung («Aluminium 7000»), die sonst im Flugzeugbau und in der Raumfahrt zum Einsatz kommt. Damit können die Geschichten über verbogene iPhones («Bendgate»), die vor einem Jahr mit großen Schlagzeilen und als klickheischende Bildstrecken im Netz erschienen, wohl endgültig ins Archiv wandern - auch wenn sich einige Youtube-Witzbolde vermutlich nicht davon abhalten lassen, vor laufender Kamera auch die neuen iPhone-Modelle mit roher Gewalt zu beschädigen. Beim größeren iPhone 6S Plus bemerkt man auch, dass das Gerät dadurch etwas schwerer geworden ist. Es bringt jetzt 192 Gramm auf die Waage, das Vorgängermodell wog 172 Gramm. Auch das iPhone 6S hat zugelegt, kaum spürbar von 127 auf 143 Gramm.

Die Gewichtszunahme ist aber nicht alleine auf das nun festere Gehäuse zurückzuführen, sondern hat auch mit dem neuen Display zu tun. In einer zusätzlichen Schicht des Bildschirms setzt Apple eine neuartige Sensorfolie ein, die erkennen kann, wie stark man auf das Display drückt. Apple nennt das Konzept «3D Touch». Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase von einer Minute oder so hat man den Trick raus: Tippt man auf ein Symbol oder eine Textstelle etwas kräftiger, wird eine neue Funktion ausgelöst. Bei den App-Icons erscheint ein Kontext-Menü, mit dem man besonders häufig genutzte Funktionen ohne Umweg aufrufen kann. So kann man bei der Kamera-App das iPhone blitzschnell in den Modus für ein Selfie bringen. Der Trick dabei: nicht lang - sondern kurz und fest drücken.

Diese «Quick Actions» bietet Apple quasi für alle seine Apps an. Bei der Foto-App führt die Abkürzung beispielsweise direkt zu den neuen Fotos, in Mail kann man sich die Mitteilungen seiner VIP-Kontakte schneller anzeigen lassen als zuvor und bei der Karten-App gibt es für die Navigation nach Hause eine Abkürzung. Alle diese Funktionen waren zuvor auch schon auf dem iPhone vorhanden, man musste sich zum Teil aber aufwändig durchtippen, um diese aufzurufen. Mit den Quick Actions kommt man schneller ans Ziel, nicht nur bei Apple-Anwendungen, sondern auch bei Apps von Drittanbietern. So bietet die Facebook-App eine Abkürzung an, um ein Foto zu machen und in das Netzwerk hochzuladen.

Der «Drück-mich-Effekt» greift aber noch an anderer Stelle. Mit den beiden neuen iPhones führt Apple die Funktion «Peek and Pop» ein, was man mit «Reinschauen und Aufmachen» übersetzen kann. Mit «Peek» kann man beispielsweise in der Mail-App mit einem leichten Druck kurz reinschauen. Man muss dann nur loslassen, um die Voransicht zu beenden. Mit weiteren Wisch-Gesten kann man die Nachricht auch weiterleiten, als gelesen markieren oder löschen. Ein kräftiger Druck («Pop») öffnet die Mail dann richtig. Im Alltag ist das ungeheuer praktisch, gerade wenn man viele Mails in seinem Eingangskorb abarbeiten muss und schnell feststellen möchte, ob eine Nachricht größere Aufmerksamkeit verlangt oder schnell abgehakt werden kann. «Peek and Pop» funktioniert ebenfalls in fast allen Apple-Apps.

Beim Display hat sich sonst quasi nichts geändert. Helligkeit, Farbwiedergabe, Ausleuchtung und Blickwinkelstabilität sind wie gewohnt exzellent. Das iPhone 6S verfügt über einen 4,7-Zoll-Bildschirm mit 1334 x 750 Bildpunkten, der größere Bruder 6S Plus liegt bei 5,5 Zoll und 1920 x 1080 Pixel. Apple spricht davon, dass der neue A9-Chip gegenüber dem Vorgänger 70 Prozent schneller werkelt. Die Grafik-Leistung soll um 90 Prozent gestiegen sein. In der Praxis bemerkt man das vor allem beim ersten Aufruf der Apps: Sie starten nun häufig mehr als doppelt so schnell.

Bei verschiedenen Benchmark-Tests konnten wir diese Werte auch fast erreichen, obwohl es noch keine auf die neue Architektur abgestimmten Test-Umgebungen gibt. Eine wichtige Erkenntnis aus diesen Testläufen ist, dass Apple wohl den Arbeitsspeicher auf zwei Gigabyte verdoppelt hat, wodurch nun mehr Apps gleichzeitig aktiv sein können als zuvor. Das Fazit zur Performance lautet: Die neuen iPhones sind superflott und auch für mächtige Game-Apps gerüstet, die erst noch erscheinen werden.

In dem A9-Chip steckt nun auch der M9-Coprozessor, der zuvor getrennt verbaut war. Mit dieser Konstruktion konnten die Apple-Ingenieure den Stromverbrauch senken, so dass die «Hey Siri»-Funktion nun auch ohne angeschlossenes Ladekabel zur Verfügung steht. Bei der Einrichtung des iPhones wird man gefragt, ob man die Sprachassistentin mit den beiden Worten «Hey Siri» aktivieren möchte. Nach einigen Übungssätzen, die in das Mikrofon gesprochen werden, reagiert Siri nur noch auf diese Stimme. Dabei wird das Stimm-Profil nicht auf Server in die USA übertragen, sondern verbleibt nach Angaben von Apple datenschutzfreundlich auf dem Gerät.

Auch beim Fingerabdruck-Sensor Touch ID hat Apple noch einmal nachgelegt. Das Entsperren des Bildschirms oder einzelner Apps geht nun spürbar flotter vonstatten.

Den größten Sprung nach vorne machen die beiden neuen iPhone-Modelle aber bei der Kamera. Apple verwendet für die Hauptkamera nun jeweils einen 12-Megapixel-Sensor (statt bislang 8 Megapixel), bei der Selfie-Kamera sind es nun 5 (statt der zuvor mageren 1,2) Megapixel. Zwar bieten manche Smartphones wie das Sony Xperia Z5 oder die neuen Telefone von Gigaset noch höhere Pixelzahlen. Die Qualität einer Smartphone-Kamera lässt sich aber nicht alleine an der Pixelzahl festmachen. Bei Apple wird die Auflösung mit einer exzellenten Fünf-Linsen-Optik, einer guten Blendenöffnung (f/2,2) und einer herausragenden Software kombiniert.

So überzeugt die Kamera mit scharfen und detailreichen Fotos, natürlichen Farben und geringem Farbrauschen bei wenig Licht. Beim 6S Plus sorgt außerdem ein optischer Bildstabilisator dafür, dass die Aufnahmen nicht verwackeln und längere Blendenöffnungszeiten in der Dämmerung möglich sind. Die beiden iPhone-Kameras stehen damit in der Bestenliste derzeit ganz oben, gefolgt vom Samsung Galaxy Note 4.

An die sich bewegenden Porträt-Bilder in den Harry-Potter-Filme erinnert die Funktion «Live Photo». Dabei nimmt die Kamera jeweils eineinhalb Sekunden Video in hoher Auflösung und auch den Ton auf, bevor und nachdem man auf den Auslöser gedrückt hat. Im Universum der neusten Apple-Geräte (iPhone 6S und 6S Plus, Apple Watch und Mac mit OS X El Capitan) lassen sich diese Live-Fotos als Sequenz abspielen. Andere Beobachter können den Effekt als 3-Sekunden-Video im H.264-Format genießen.

Die Video-Kamera kann Filme in 4K-Auflösung aufnehmen (30 Bilder pro Sekunde, 3840 x 2160 Pixel), was aber wegen des hohen Speicherbedarfs nur in wenigen Situationen sinnvoll erscheint. Relevanter dürfte sein, dass es Apple gelungen ist, die Qualität der herkömmlichen Full-HD-Aufnahme (1080p bei 60 Bildern pro Sekunde) erneut zu verbessern und etwa die Detailschärfe zu erhöhen.

Die Batterielaufzeit entspricht den Werten beim iPhone 6: Das iPhone 6S machte im Test - wie von Apple versprochen - erst nach über elf Stunden durchgehender Videowiedergabe schlapp und erzielte mit zwölf Stunden beim Surfen über WLAN sogar eine Stunde mehr als von Apple behauptet. Das Plus-Modell hielt beim Surfen rund 13 Stunden lang durch.

Als Fazit kann man festhalten: Mit dem neuen Bedienkonzept 3D Touch und der überragend guten Kamera gibt Apple den Kunden mindestens zwei handfeste Gründe für das Upgrade oder den Umstieg auf die beiden neuen iPhones.

Allerdings hat das auch seinen Preis, der in Europa noch happiger ausfällt als in den USA. Während die Preise jenseits des Atlantiks stabil geblieben sind, müssen die Europäer wegen des schwachen Euro-Kurses tiefer in die Tasche greifen. Das iPhone 6S wird mit 16 Gigabyte Speicher von Apple für 739 Euro verkauft. 64 Gigabyte kosten 110 Euro mehr, 128 GB weitere 110 Euro Aufschlag. Das iPhone 6S Plus kostet jeweils 110 Euro mehr als das entsprechende iPhone 6S (849, 959 und 1069 Euro).

dpa