Keith Richards: Das Herz schielt Richtung Tradition

Keith Richards hat das Studio gefehlt. Foto:  Warren Toda
Keith Richards hat das Studio gefehlt. Foto: Warren Toda

Spiel's noch einmal! «Crosseyed Heart» ist erst das dritte Soloalbum von Stones-Gitarrist Keith Richards. Neu ist sein handgemachter Sound zwischen Rock, Blues und Country nicht - aber wen kümmert das schon? Beweisen muss er eigentlich nichts mehr, denn Keith Richards hat schon alles erlebt. Ein halbes Jahrhundert ist er nun schon Gitarrist der Rolling Stones und Wegbereiter eines Sounds, der Musiker auf der ganzen Welt inspiriert hat.

Und trotzdem legt der 71-Jährige jetzt noch einmal mit einem eigenen Album nach. Nach dem 1988 erschienenen «Talk Is Cheap» und «Main Offender» aus dem Jahr 1992 ist «Crosseyed Heart» («Das schielende Herz») sein drittes Soloalbum.  Schon der im Juli veröffentlichte erste Song «Trouble» deutet es dabei an: «Let me keep you in the loop, though I can't tell you much», singt er da: «Ich will Dich auf dem Laufenden halten, aber ich kann Dir nicht viel erzählen.» Es ist ein ehrliches Fazit zum neuen Album, auch, wenn die Plattenfirma in ihrer Vermarktung den Track als «gitarrenbasiertes Stück des Himmels» beschreibt. Die 15 Songs bieten keine Neuerfindung des Alte-Männer-Genres zwischen Country, Blues und Rock - aber sie sind absolut solide Erwachsenenmusik.

Denn so geht es auch weiter auf dem Album, mal mit etwas sperrigeren Riffs, wie bei «Substantial Damage», mal mit dem Timbre eines Leonard Cohen beim ruhigen «Robbed Blind» - und manchmal sogar mit Reggae-Rhythmen wie im Gregory-Isaacs-Cover «Love Overdue». Klassische handgemachte Radiomusik also. 

In den USA kommt das Album in ersten Kritiken trotzdem gut an. «Sein exzentrischstes und bestes Soloset bisher», befindet «Rolling Stone». «'Crosseyed Heart' liefert tatsächlich ab», schreibt «Classic Rock Magazine». Und das britische Magazin «Uncut» befindet: «Textlich verlässt sich Richards manchmal zu sehr auf den Stones-Songtexte-Zufalls-Generator.» Aber der Mann habe sich schon immer seinen Humor und seine Seele bewahrt, «und diese Qualiäten werden hier sympathisch aufbereitet und serviert.»

Aber die Frage bleibt: Braucht es das wirklich? Zumindest für Richards selbst dürfte das am Ende gar keine Frage sein. Ihm habe einfach etwas gefehlt. «Mir fiel auf, dass ich seit Aufnahmen mit den Stones 2004 nicht mehr im Studio war», sagte er der «New York Times». «Da dachte ich: Das ist doch ein wenig seltsam.» Sein Ko-Produzent und Drummer Steve Jordan fasst es krasser zusammen: «Wenn Du ein Musiker bist, dann gehst du nicht in Rente. Du spielst einfach, bis du nicht mehr atmen kannst.»

dpa