Niedrigste Arbeitslosigkeit seit fast 25 Jahren

Saisonbereinigt stieg die Arbeitslosenzahl im September um rund 2000 auf 2,795 Millionen. Foto: Sebastian Kahnert
Saisonbereinigt stieg die Arbeitslosenzahl im September um rund 2000 auf 2,795 Millionen. Foto: Sebastian Kahnert

Der deutsche Arbeitsmarkt präsentiert sich noch einmal in Hochform: Die Zahl der Jobsucher sinkt im September auf den niedrigsten Stand seit Jahren. Doch die Zeiten solcher Superlative gehen allmählich zu Ende. Der Herbstaufschwung hat die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit fast 25 Jahren sinken lassen.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im September bundesweit 2,708 Millionen Menschen ohne Job. Das waren 88 000 weniger als im August und 100 000 Erwerbslose weniger als vor einem Jahr. 

Es war der niedrigste Stand seit Januar 1991. Der Boom neigt sich allerdings dem Ende: Im kommenden Jahr rechnet die Behörde erstmals seit 2013 wieder mit steigenden Arbeitslosenzahlen - vor allem wegen des starken Flüchtlingszustroms. Behördenchef Frank-Jürgen Weise sagte am Mittwoch: «Mit der Herbstbelebung ist die Arbeitslosigkeit im September zurückgegangen. Saisonbereinigt gab es zwar einen geringfügigen Anstieg, insgesamt hat die günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt aber angehalten.»

Weise führt die gute September-Entwicklung vor allem auf die stabile Konjunktur zurück. Viele Unternehmen suchten weiter nach geeigneten Fachkräften. Nach Hochrechnungen der Bundesagentur für Juli entstanden binnen Jahresfrist in deutschen Betrieben 608 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze - die meisten in Pflegeheimen und Sozialeinrichtungen, im Handel und Instandsetzungsfirmen und bei Unternehmensdienstleistern, wie Steuer- und Unternehmensberatern, Werbeagenturen und Gebäudeverwaltungen, aber auch in der Industrie.

Der Aufschwung im September hat nach Weises Angaben überwiegend saisonale Gründe. Mit dem Ende der Sommerpause stellten Unternehmen wieder verstärkt Mitarbeiter ein. Allerdings fiel der sonst sehr ausgeprägte Rückgang der Arbeitslosigkeit zum Herbstbeginn dieses Mal deutlicher schwächer aus als in den Vorjahren. Weise führte dies unter anderem auf das gesunkene Angebot an Fort- und Ausbildungen für Arbeitslose zurück. Jobsucher gelten während der Teilnahme an einer sogenannten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme nicht als arbeitslos.

Für das kommende Jahr erwartet die Bundesagentur allerdings schwierigere Zeiten für den Arbeitsmarkt - vor allem wegen der steigenden Zahl arbeitsloser Flüchtlinge. Schon jetzt suchten Asylbewerber vermehrt in den Arbeitsagenturen und Jobcentern Rat und Hilfe, berichtete BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker. Für 2016 stellt sich die Bundesagentur im Jahresschnitt auf rund 130 000 zusätzliche arbeitslose Flüchtlinge ein. Bezogen auf alle Erwerbslosen werde die Arbeitslosigkeit damit im kommenden Jahr erstmals seit 2013 wieder steigen - nach Prognosen von Arbeitsmarktforschern um rund 70 000.

Wegen des anhaltenden Flüchtlingszustroms will die Bundesagentur das Personal von Arbeitsagenturen und Jobcentern massiv aufstocken. Allein die Jobcenter sollten im kommenden Jahr rund 2000 zusätzliche Mitarbeiter erhalten, kündigte Becker an. Die Arbeitsagenturen sollen zusätzlich zu den bereits genehmigten 200 Jobvermittlern mit 700 weiteren Kräften verstärkt werden. Becker geht davon aus, dass rund 90 Prozent der anerkannten Flüchtlinge zunächst auf Hartz IV angewiesen sein und daher von den Jobcentern betreut werden.

Derzeit würden die entsprechenden BA-Mitarbeiter für die Betreuung von Flüchtlingen gezielt geschult. Neben Sprachkursen absolvierten Jobvermittler auch Kurse, in denen sie mit dem kulturellen Hintergrund von Flüchtlingen aus den vier bis fünf wichtigsten Herkunftsländern vertraut gemacht würden. Zudem profitiere die Bundesagentur von der Internationalität ihrer Mitarbeiter. «16 Prozent der BA-Mitarbeiter haben einen Migrationshintergrund.»

Becker räumte ein, dass die Flüchtlinge «eine Riesen-Herausforderung» für Deutschland und den deutschen Arbeitsmarkt darstellten. Zugleich seien sie - nicht zuletzt wegen der zunehmenden Überalterung der deutschen Gesellschaft - aber auch eine «Riesen-Chance». Er warnte allerdings vor zu großer Ungeduld bei ihrer Integration. 80 Prozent der Flüchtlinge fehle eine formale berufliche Qualifikation. «Die kommen nicht mit einem Handwerkskammer-Titel zu uns», sagte Becker. Viele hätten dennoch Talente und handwerkliche Fähigkeiten. Diese sollten bei Betriebspraktika getestet werden. «Die Menschen, die zu uns kommen, sind nicht die Fachkräfte von Morgen, sondern Übermorgen», sagte der BA-Manager.

dpa