Behörden rechnen 2015 mit bis zu 1,5 Millionen Asylbewerbern

Die Schatten von Flüchtlingen nach ihrer Ankunft in Schönefeld. Foto: Patrick Pleul
Die Schatten von Flüchtlingen nach ihrer Ankunft in Schönefeld. Foto: Patrick Pleul

Erst Hunderttausende, dann bis zu einer Million und jetzt womöglich noch viel mehr Flüchtlinge: Laut einer neuen Prognose droht womöglich ein Zusammenbruch der Versorgung. Auch zum Winter sei keine Entspannung in Sicht.

Behörden in Deutschland halten es nach einem Bericht für möglich, dass im laufenden Jahr insgesamt bis zu 1,5 Millionen Asylbewerber nach Deutschland kommen.

Im letzten Quartal sei mit der Ankunft von bis zu 920 000 Flüchtlingen zu rechnen, zitiert die «Bild»-Zeitung aus einer internen Prognose nicht näher benannter Behörden. 

Demnach sei zum Winter kein spürbarer Rückgang der Flüchtlingszahlen zu erwarten. Die Bundesregierung war zuletzt noch von 800 000 Neuankömmlingen für 2015 ausgegangen. In dem internen Bericht sei zudem von einem möglichen «Zusammenbruch 

der Versorgung» die Rede. Schon jetzt fehlten dringend benötigte Hilfsmittel wie Wohncontainer und sanitäre Einrichtungen. Städte und Gemeinden sehen sich am Rande ihrer Möglichkeiten. «Wenn der Zustrom weiter so anhält wie jetzt, werden die Kommunen in Deutschland mit Versorgung, Unterbringung und Integration der Flüchtlinge überfordert sein», sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen 

Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der «Passauer Neuen Presse».

Der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier (CDU), hatte zuvor der «Welt am Sonntag» gesagt, er erwarte in diesem Jahr 1,2 bis 1,5 Millionen Flüchtlinge in Deutschland. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) betonte wiederholt, es sei derzeit sehr schwer, genaue Zahlen zu ermitteln. Es gebe Unsicherheiten, weil sich ein «nicht unerheblicher Teil» der Flüchtlinge der Registrierung entziehe oder trotz Registrierung an einen anderen Ort weiterziehe. Zum Vergleich: 2014 waren bei der zuständigen Bundesbehörde 202 000 Asylanträge eingegangen.

In der innenpolitischen Debatte wirft Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) der CSU vor, diese wolle die deutsche Asylpolitik am Vorbild Ungarns ausrichten. «Die CSU betreibt die Orbanisierung der deutschen Asylpolitik», sagte die frühere Grünen-Vorsitzende der Zeitung «Die Welt»

in Anspielung auf den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. In den Reihen der CSU war zuletzt über Grenzzäune für Deutschland sowie eine Änderung des Asylrechts spekuliert worden.

Spitzenvertreter von katholischer und evangelischer Kirche in Deutschland äußern Bedenken gegen die geplanten Verschärfungen der Asylgesetze. «Da sehen wir einiges kritisch», sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, der «Süddeutschen Zeitung» (Montag) in einem gemeinsamen Interview mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm. Grundsätzlich unterstützten beide aber den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik.

Die Europäische Union setzt in der Flüchtlingskrise auf die Türkei. Am Montag reist Präsident Recep Tayyip Erdogan zu Gesprächen mit EU-Spitzenpolitikern nach Brüssel. Zwischen der EU und der Türkei gibt es in einigen Punkten Unstimmigkeiten. So fordert die Türkei, dass die EU die Visa-Liberalisierung schneller umsetzt. Die EU-Staaten wollen Flüchtlinge ohne Bleiberecht in die Türkei zurückschicken können. Kein Land hat mehr Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufgenommen als der Nachbar Türkei.

dpa