Trotz Kritik: Pötsch soll zum VW-Aufsichtsrat ernannt werden 

Der bisherige VW-Finanzvorstand ist wegen seiner eigenen Rolle in der Krise umstritten. Foto: Jochen Lübke/Archiv
Der bisherige VW-Finanzvorstand ist wegen seiner eigenen Rolle in der Krise umstritten. Foto: Jochen Lübke/Archiv

Das VW-Präsidium hat sich für Finanzchef Pötsch als neuen Aufsichtsrat ausgesprochen. Am Mittwoch soll das gesamte Gremium den Beschluss bestätigen und damit einen wichtigen Schritt aus der Krise machen. Doch die Personalie bleibt umstritten. Trotz wiederholter Rückendeckung aus dem VW-Präsidium gehen die Meinungen über den designierten Aufsichtsrat Hans Dieter Pötsch noch immer weit auseinander.

Während die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) die Top-Personalie unterstützt, lehnt die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) den bisherigen 

VW-Finanzchef als Kontrolleur ab. Am Mittwoch wird sich der Aufsichtsrat von Volkswagen in Wolfsburg in einer Krisensitzung abermals mit dem aktuellen Abgas-Skandal befassen. Dabei will das 20-köpfige Gremium auch einem Präsidiumsbeschluss für Pötsch aus der vergangenen Woche zustimmen. Anschließend soll Pötsch vom Amtsgericht Braunschweig für das Kontrollgremium benannt werden. Neben Personalfragen wird es auch um die weitere Aufarbeitung des Skandals gehen - bis Mittwoch muss VW dem Kraftfahrt-Bundesamt mitteilen, wie die rund 2,8 Millionen Autos, die in Deutschland mit Manipulations-Software ausgestattet sind, umgerüstet werden sollen.

«Wir haben hier einen übergesetzlichen Notstand», sagte DSW-Präsident Ulrich Hocker der Deutschen Presse-Agentur. Aus diesem Grund sei die Bestellung Pötschs ausnahmsweise auch ohne die sonst vorgeschriebene Wahl bei einer Hauptversammlung zu akzeptieren - «mit Bauchschmerzen, aber eben ohne Alternative». Pötsch sei von seiner Kompetenz her der richtige Mann für den heiklen Job.

Dies sieht SdK-Vorstand Daniel Bauer anders: «Ich habe weniger Bauchschmerzen mit der Art seiner Ernennung als mit der Person selbst.» Um das Vertrauen der Anleger wiederherzustellen, sei ein radikaler Schnitt und die Neubesetzung mit einem externen Kandidaten die bessere Wahl. «So bleibt ein Geschmäckle und die Gefahr, dass die weiteren Ermittlungen doch noch Personen im neu zusammengesetzten Aufsichtsrat belasten.»

Ungeachtet der unterschiedlichen Meinungen eint die Aktionärsvertreter ein Wunsch zum weiteren Ablauf: Pötschs Wahl müsse spätestens bei der nächsten VW-Hauptversammlung offiziell nachgeholt werden. «Jetzt ist es erst einmal entscheidend und notwendig, dass der Konzern und die Organe funktionieren», meinte Hocker.

Unterdessen warnte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, vor Überregulierungen. Sollte es der Wirtschaft nicht gelingen, selbst mit mehr Transparenz über Produktionsabläufe das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, werde die Politik die Aufgabe übernehmen. «Doch die Regierung sollte dieser Versuchung widerstehen und diesen Fall nicht überstürzt zum Anlass nehmen, radikal an der Regulierungsschraube zu drehen.»

Zwei Wochen nach dem Bekanntwerden der weltweiten Abgas-Affäre ist bei den routinemäßigen Untersuchungen der Finanzaufsicht zum Handel mit VW-Aktien derweil noch kein Ende in Sicht. «Wir wissen nicht, wann sie abgeschlossen sein werden», sagte eine Sprecherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Zudem prüfe die Bafin, ob VW bei der Veröffentlichung des Abgas-Skandals entsprechend dem Aktiengesetz gehandelt habe.

Kritiker werfen Volkswagen vor, die Öffentlichkeit zu spät über die Probleme informiert zu haben. Laut einigen Juristen hat sich der Konzern wegen einer Reihe von unterlassenen sowie unvollständigen Kapitalmarkt-Informationen gegenüber seinen Aktionären schadenersatzpflichtig gemacht. VW drohen deshalb Sammelklagen.

Auch in der dritten Börsen-Woche nach der Enthüllung der Manipulationen bei Diesel-Fahrzeugen konnte sich der Kurs der VW-Vorzugsaktien nicht erholen. Zum Wochenbeginn sackten die Papiere an der Frankfurter Börse erneut ab - mit 86,36 Euro fielen sie zwischenzeitlich auf den tiefsten Stand seit fünf Jahren.

Die Diesel-Affäre könnte nach Angaben von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström auch die weiteren Verhandlungen mit den USA über das Handelsabkommen TTIP belasten. Sie habe vor der Affäre viel Zeit aufgewendet, um den Amerikanern zu erklären, dass Europa die höchsten Umweltstandards habe. «Und jetzt stellt sich heraus: Wir sind nicht perfekt», sagte die Schwedin der «Süddeutschen Zeitung» (Montag).

Darüber hinaus hat der Abgas-Skandal nach Berechnungen der Unternehmensberatung Interbrand dem Markenwert von VW geschadet. In der am Montag veröffentlichten jährlichen Rangliste der wertvollsten Marken sank der VW-Wert um neun Prozent auf gut 12,45 Milliarden Dollar (11,1 Mrd Euro). Im Ranking rutschte VW dadurch vom 31. auf den 35. Platz ab. Bei der Konzernmarke Audi sehen die Experten noch ein Plus beim Markenwert von fünf Prozent auf 10,3 Milliarden Dollar, wodurch sie sich um einen Platz auf den 44. Rang verbessert.

dpa