Abgas-Skandal: Bei VW müssen Leiharbeiter um Job zittern

Der VW-Konzern wird noch immer vom Abgas-Skandal erschüttert. Foto: Bernd Settnik
Der VW-Konzern wird noch immer vom Abgas-Skandal erschüttert. Foto: Bernd Settnik

Die Affäre um manipulierte Abgaswerte erreicht die VW-Belegschaft auf dem Heimatmarkt. Leiharbeiter müssen sich Sorgen um ihre Perspektive bei Volkswagen machen - der Vorstand denkt über eine Reduzierung nach. Doch der mächtige Betriebsrat lässt schon die Muskeln spielen. Im Abgas-Skandal bei Volkswagen sind nun erstmals Jobs in Gefahr. Der Vorstand diskutiere über eine Reduzierung der Leiharbeit, teilte der VW-Betriebsrat am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Hannover mit.

Die Arbeitgeberseite dementierte das nicht, verweis aber ihrerseits auf eine unklare Lage und darauf, dass noch nichts entschieden sei. Die Beschäftigungssicherheit habe auch für den Vorstand des 600 000 Jobs zählenden Unternehmens Priorität. Ein Sprecher der einflussreichen Arbeitnehmervertretung sagte der dpa: «Als Betriebsrat werden wir alle Möglichkeiten unterstützen, um die Arbeitsplätze unserer Kolleginnen und Kollegen mit Leiharbeitsverträgen zu sichern. Wir wissen, dass der Vorstand andere Szenarien diskutiert.» Bei dem Wolfsburger Weltkonzern arbeiten nach dpa-Informationen im Mutterunternehmen der Volkswagen AG hierzulande gut 7000 Leiharbeiter. Es gilt eine Leiharbeiterquote von aktuell rund 6 Prozent.

Das Unternehmen macht dazu keine Angaben. Von einer Reduzierung der Leiharbeit wäre vor allem die VW-Heimat Niedersachsen betroffen, wo die VW AG Werke in Emden, Hannover, Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg zählt. In Nordhessen kommt Kassel dazu.

Ein Konzernsprecher schloss einen Einbruch bei den Verkäufen und damit einhergehende Folgen für Produktion und Jobs nicht aus. «Sollte sich ein vorübergehender Beschäftigungsrückgang ergeben, wird Kurzarbeit wie in der Vergangenheit eine sinnvolle Möglichkeit sein.» Zurzeit sei die Entwicklung der Absatz- und Beschäftigungssituation nicht absehbar. Der Vorstand unternehme auch in der aktuellen Krise alles, um die Jobs zu sichern.

VW hatte mit einer Software Abgastests bei Dieselfahrzeugen manipuliert. Dem Autokonzern drohen Milliardenkosten wegen Klagen und Strafzahlungen. VW will die betroffenen 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland von Januar an zurück in die Werkstätten rufen.

Bereits Anfang Oktober hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bei einem Besuch im Wolfsburger Stammwerk angekündigt, dass im Zuge des Abgas-Skandals eine Ausweitung der Kurzarbeiterregel auch auf Leiharbeiter geprüft werde. Die Union lehnte den Vorstoß ab. Die «Bild-Zeitung» hatte erneut über das Thema berichtet.

Der Betriebsratssprecher sagte dazu: «Generell halten wir es für eine gute Initiative, wenn auch Kolleginnen und Kollegen mit Leiharbeitsverträgen zur Überbrückung schwieriger Situationen einbezogen werden. Wir sind der Bundesregierung dankbar, dass sie die Arbeitnehmer bei Volkswagen im Auge behält, die diese Krise nicht verursacht haben. Wir hoffen, der VW-Vorstand ist sich dessen auch bewusst.»

Bisher hatte der VW-Konzern auch angesichts seiner jahrelangen Erfolgsfahrt in steter Regelmäßigkeit alle paar Monate Hunderte Leiharbeiter wegen der guten Auftragslage in die Stammbelegschaft übernommen.

Mit Leiharbeit reagiert die Industrie flexibel auf Rückgänge oder Spitzen bei den Aufträgen. Kurzarbeit ist ein Ausweg, um trotz einer krisenhaften Phase nicht gleich Kündigungen aussprechen zu müssen.

In der eigenen Mitarbeiterzeitung meldete sich VW mit einem schonungslosen Schuldeingeständnis zu Wort und räumte einen enormen Vertrauensverlust ein. «Wir haben das wichtigste Teil unserer Autos kaputt gemacht: Ihr Vertrauen», heißt es im aktuellen «autogramm». Der Konzern zeigt sich darin aber auch kämpferisch. Er verspricht den Kunden: «Wir werden nicht aufhören zu arbeiten, bis wir Ihr Vertrauen wiedererlangt haben.»

Unterdessen sieht Continental-Chef Elmar Degenhart angesichts der Abgas-Affäre Auswirkungen auf die gesamte Branche. «Ohne Zweifel wird dadurch der Ruf der deutschen Automobilindustrie zunächst einmal in Mitleidenschaft gezogen», sagte der Vorstandsvorsitzende des Autozulieferers bei einem Redaktionsbesuch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Da wird Vertrauen verloren gehen – insbesondere bei internationalen Kunden.» Eine Gefahr für die Strahlkraft der gesamten deutschen Industrie sieht Degenhart jedoch nicht. «Daraus zu konstruieren, dass für "Made in Germany" Schaden entsteht, halte ich für übertrieben.»

dpa