Kritischer Kermani - Nachdenklicher Gottschalk

Der Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani blickt äußerst skeptisch auf Europa. Foto: Arne Dedert
Der Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani blickt äußerst skeptisch auf Europa. Foto: Arne Dedert

Der muslimische Autor und Buchhandels-Friedenspreisträger Navid Kermani ist auf der Buchmesse besorgt über den Zustand Europas. Thomas Gottschalk äußert sich nachdenklich über «Shitstorms». Auf der Frankfurter Buchmesse ist am am Freitag die Politik in den Mittelpunkt gerückt. Der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, Navid Kermani, zeigte sich besorgt über den wachsenden Nationalismus in Europa. Die mangelnde Solidarität und Zerstrittenheit über das Flüchtlingsproblem zeige, das der Kontinent in einer tiefen geistigen Krise stecke.

TV-Entertainer Thomas Gottschalk ging mit Blick auf potenzielle «Shitstorms» kritisch mit der «Political Correctness» um. Der japanische Ex-Premier Naoto Kan rief zur Abschaffung aller Atomkraftwerke auf. Kermani bewertete die Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen als Generationenproblem. Speziell für junge Menschen seien Vielfalt und Multikulturalität in Deutschland inzwischen völlig normal, sagte der 47-Jährige. In seiner Schulzeit seien Ausländer von Deutschen noch streng getrennt worden.

Der in Köln lebende Kermani, Schriftsteller und Orientalist mit iranischen Wurzeln, wird die renommierte Auszeichnung am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche zum Abschluss der Messe entgegennehmen.

«Bis zum 11. März 2011 war ich davon überzeugt, dass man Atomkraft kontrollieren kann, aber ich lag falsch, ich habe meine Einstellung zu Atomkraftwerken um 180 Grad gewendet», beschrieb der japanische Ex-Premier Kan, was für Konsquenzen er als damaliger Regierungschef aus Fukushima gezogen hat. Er stellte auf der Messe sein Buch «Als Premierminister während der Fukushima-Krise» (Iudicium) vor.

Der Ausstieg müsse aber schnell umgesetzt werden, sagte Kan und hob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Vorbild hervor. Es sei «bewundernswert», dass sie sich binnen weniger Monate nach Fukushima für den Ausstieg entschieden habe.

Thomas Gottschalk äußerte sich nachdenklich über die heutige «Political Correctness» im Internetzeitalter: «Eine Frage wie zum Beispiel zum Flüchtlingsproblem, die ich früher aus einer Lamäng heraus mit einer Arglosigkeit beantwortet hätte, erzeugt heutzutage einen Shitstorm aller ersten Ranges in einer so kurzen Zeit, so dass selbst ich, der ich zu Spontanäußerungen neige, fünfmal überlege, ob ich zu bestimmten Stichwörtern heute noch ungeschützt meine Meinung sage.» Gottschalk promotete seine Autobiografie «Herbstblond» (Heyne).

dpa