Erfinder des WWW warnt vor Abschaffung der Netzneutralität

WWW-Erfinder Sir Tim Berners-Lee fürchtet die Abschaffung der Netzneutralität. Foto: Martial Trezzini/Archiv
WWW-Erfinder Sir Tim Berners-Lee fürchtet die Abschaffung der Netzneutralität. Foto: Martial Trezzini/Archiv

Die EU-Kommission spricht von der «Sicherstellung des offenen Internets», die nun auch im Europaparlament beschlossen werden soll. Doch Netz-Koryphäen wie der WWW-Erfinder Sir Tim Berners-Lee wittern einen Etikettenschwindel und sehen die Netzneutralität bedroht. Sir Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, hat die vorschlagene EU-Verordnung zur Netzneutralität als «schwach und verwirrend» kritisiert.

«Wenn die vorliegenden Regelungen so übernommen werden, dann werden sie die Innovation, die Meinungsfreiheit und Privatsphäre bedrohen, erklärte Berners-Lee. Außerdem beeinträchtige die Verordnung die Fähigkeit der Europäer, eine führende Rolle in der Digital-Wirtschaft zu übernehmen. Der britische Wissenschafter hatte in den 80er Jahren am europäischen Forschungszentrum CERN das WWW entwickelt. Zuvor hatten sich bereits mehr als 30 führende Startups, Internetunternehmen und Investoren aus Europa und den USA für eine stärkere Verankerung der Netzneutralität in der EU stark gemacht. Unmittelbar vor einer wichtigen Abstimmung im Europaparlament forderten die Unternehmen und Einzelpersonen die Abgeordneten in einem offenen Brief auf, schwerwiegende Probleme mit dem gegenwärtigen Entwurf der Netzneutralitätsregeln zu beheben.

Netzneutralität bedeutet, dass Netzbetreiber alle Datenpakete gleichberechtigt durch ihre Leitungen schicken, egal woher sie stammen oder welchen Inhalt sie haben. Bisher gibt es für dieses «offene Internet» keine europäischen Regeln, nur einzelne EU-Staaten haben Vorschriften.

Doch die Datenmenge wächst und damit auch die Gefahr von Staus im Netz. Deshalb wurde diskutiert, ob in Sonderfällen nicht doch manche Internetnutzer Vorfahrt bekommen sollten. Das Thema steht am Dienstag auf der Tagesordnung des Europaparlaments. Kritiker befürchten, dass mit der «Verordnung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet» die Netzneutralität wegen schwammiger Formulierungen de facto abgeschafft wird.

Zu den Unterzeichnern des Appells gehören die Unternehmen Automaticc.inc (WordPress.com), BitTorrent, Etsy, Kickstarter, Netflix, Reddit, Soundcloud, Tumblr und Vimeo. Außerdem haben Wagniskapitalgeber wie Fred Wilson und Brad Burnham (Union Square Ventures), Brad Feld (Foundry Group), David Pakman (Venrock) sowie weitere wichtige Investoren aus Europa und den USA unterschrieben.

Sie befürchten, dass die Entwicklung innovativer Dienste behindert wird, wenn Internet-Provider «Überholspuren» für bestimmte Daten einrichten und andere Daten ausbremsen dürfen. Sie wenden sich auch gegen den Vorschlag, dass der Datenverbrauch bestimmter Dienste wie Musikstreaming aus den Datentarifen ausgeklammert wird, um diese Dienste gegenüber anderen zu bevorzugen.

Sir Berners-Lee forderte die Europaabgeordneten auf, nicht unter der verfänglichen Bezeichnung «Spezial-Dienste» ein Schlupfloch in das Prinzip der Netzneutralität zu reißen. Es handle sich dabei um Überholspuren, für die man extra zahlen müsse. Betroffen davon seien Startups, kleine Unternehmen, Künstler, Aktivisten und Erzieher in Europa und der ganzen Welt.

dpa