Aufsichtsrat Weil: VW-Kritikkultur ist unterentwickelt

Martin Winterkorn, ehemaliger VW-Vorstandsvorsitzender, wird maßgeblich für eine unterentwickelte Kritikkultur im Konzern verantwortlich gemacht. Foto: Jens Wolf/Archiv
Martin Winterkorn, ehemaliger VW-Vorstandsvorsitzender, wird maßgeblich für eine unterentwickelte Kritikkultur im Konzern verantwortlich gemacht. Foto: Jens Wolf/Archiv

Ex-VW-Boss Winterkorn sagte über seine Führung einmal: «Wir haben das System so scharf gestellt, dass ein Problem binnen kürzester Zeit bei uns ankommt.» Das Abgas-Skandal straft ihn nun Lügen. Und Kritiker der alten VW-Hierarchie finden deutliche Worte. VW-Aufsichtsrat Stephan Weil hat dem kriselnden Autobauer eine rückständige Kritikkultur vorgeworfen. Es herrsche großer Nachholbedarf bei den Vorstellungen von Führung, Eigenverantwortlichkeit und Teamwork.

Das sagte der niedersächsische Ministerpräsident der «Süddeutschen Zeitung». «Was wir bei VW sehr schmerzlich feststellen, ist, dass die Bereitschaft, rechtzeitig auch dann auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen, wenn man sie nicht persönlich zu verantworten hat, nicht ausreichend entwickelt ist.» Der SPD-Politiker forderte: «Man muss von jedem Mitarbeiter erwarten, laut zu sagen: «Ich mache nicht mit bei Gesetzesverstößen. Ich warne laut und deutlich vor Fehlentwicklungen. Ich betrachte mich als mündiges Mitglied dieser Organisation.»»

Im VW-Konzern herrschte Insidern zufolge im Management jahrelang ein geradezu militärisches Führungsprinzip. Der «Spiegel» umschrieb das Klima unter dem im Abgas-Skandal inzwischen zurückgetretenen VW-Boss Martin Winterkorn einmal als «Nordkorea minus Arbeitslager».

Erste Weichen sieht Weil mit dem kürzlich beschlossenen Konzernumbau gestellt. Die Marken und Regionen sollen mehr Eigenverantwortlichkeit erhalten. Winterkorn-Nachfolger Matthias Müller hatte in einer Rede vor Top-Managern Mitte Oktober nicht mit Kritik am Vorgänger gespart. Dessen Kontrollzwang und Änderungen in letzter Minute waren legendär.

Müller sagte bei dem Treffen in Leipzig Teilnehmern zufolge: «Was die Produkte selbst betrifft, habe ich definitiv nicht vor, in Details von Produktentscheidungen einzugreifen. Ob eine Frontscheibe ein Grad steiler steht oder nicht - damit will und werde ich mich nicht befassen.» Müller kündigte an, «die Verantwortung für unser Unternehmen breiter zu verteilen. Ich will Sie als Top-Management stärken und Ihnen mehr Freiraum für Entscheidungen geben.»

Müller, der zuvor die VW-Tochter Porsche führte, sagte in Leipzig: «Ein Unternehmen dieser Größe, dieser Internationalität und dieser Komplexität kann man nicht mehr mit den Prinzipien und Strukturen von gestern steuern.» Eine neue Konzernstruktur sei daher «überfällig».

Weil fand für den 68 Jahre alten Winterkorn auch lobende Worte: «Ich hätte Herrn Winterkorn von Herzen einen anderen Abschied gegönnt.» Es sei dessen Verdienst, Volkswagen groß gemacht zu haben. Niedersachsen habe durch VW unter Winterkorns Ägide 40 000 neue Jobs gewonnen.

dpa