Vor Krisentreffen: DFB-Führung uneinig über Neuordnung

Der DFB muss sich völlig neu strukturieren. Foto: Arne Dedert
Der DFB muss sich völlig neu strukturieren. Foto: Arne Dedert

Die Krisenmanager des DFB sind anscheinend uneinig über die Konsequenzen aus der WM-Affäre. Vor den Treffen in Paris und Hannover wird ein Dissens in der Führung über die Neuaufstellung des Verbands deutlich. Mitten in der quälenden Aufarbeitung des WM-Skandals ist in der DFB-Spitze ein offener Konflikt über die Neuordnung des Deutschen Fußball-Bunds ausgebrochen.

Ligapräsident Reinhard Rauball stellte sich vor einem Krisentreffen in Paris gegen die Pläne des zweiten DFB-Interimschefs Rainer Koch und von Schatzmeister Reinhard Grindel, noch vor der EM 2016 eine neue Verbandsführung zu installieren. Der Zeitplan für das weitere Vorgehen dürfe durch «kein externes Ereignis» bestimmt werden, mahnte Rauball. Zudem machte sich der Präsident von Borussia Dortmund, der nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach den DFB gemeinsam mit Koch führt, erneut für eine umfassende Strukturreform stark. «Es reicht nicht, wenn ein Kopf durch einen anderen Kopf ersetzt wird, und danach läuft wieder alles ganz normal», sagte Rauball im ZDF. Für die Aufarbeitung der Affäre um die Vergabe der WM 2006 und die Überlegungen für eine Neuaufstellung des DFB bedürfe es Zeit. Der größte Sport-Fachverband müsse «klare Botschaften rausschicken, klare Antworten finden, damit die Leute wieder Vertrauen zum DFB fassen», sagte Rauball.

Dagegen hatten Koch und der im Präsidentenrennen als Favorit des Amateurlagers geltende Grindel schnelle Lösungen avisiert. «Gehen Sie davon aus, wir werden bei der Europameisterschaft ganz sicher vollständig geordnet aufgestellt sein», hatte Koch gesagt.

Auch Niedersachsens Landesverbandschef Karl Rothmund sieht bereits die Weichen gestellt und erwartet bei einer Wahl «eine breite Mehrheit» für einen Kandidaten Grindel, wie er den Zeitungen des «Redaktionsnetzwerks Deutschland» am Freitag sagte. Der CDU-Politiker sei «im richtigen Alter, um die nächsten ein, zwei Jahrzehnte an der Spitze des Verbandes stehen zu können», fügte Rothmund hinzu.

Die öffentliche Debatte und der sichtbare Dissens dürften den DFB-Granden kaum gefallen. Am Freitagnachmittag wollte die derzeitigte DFB-Führung in Paris hinter verschlossenen Türen über die nächsten Schritte beraten. Am Dienstag treffen sich dann in Hannover das Präsidium und die Landesverbände.

Zuvor waren neue Vorwürfe gegen Niersbach, DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und weitere DFB-Topfunktionäre aufgetaucht. Niersbach und Sandrock sollen Medienberichten zufolge bereits im Sommer über den brisanten Vertrag zwischen Franz Beckenbauer und dem korrupten FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner kurz vor der Vergabe der WM 2006 informiert gewesen sein. Zudem seien führende DFB-Vertreter bereits im Jahr 2000 mit dem dubiosen Deal befasst gewesen, schrieb die «Süddeutsche Zeitung» (Freitag).

Der damalige Bewerbungschef Beckenbauer soll vier Tage vor der WM-Entscheidung der FIFA dem inzwischen gesperrten Warner in einem Schreiben «diverse Leistungen» zugesagt haben. Die neuen Enthüllungen würden von den externen Ermittlern beim DFB untersucht werden, versicherte Rauball. «Ich kann offen und ehrlich gestehen, dass ich über viele Dinge überrascht war», sagte der Jurist über seine Erkenntnisse in den ersten Tagen als DFB-Interimschef.

Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily hat indes eine Kenntnis von dem Beckenbauer-Deal bestritten. «Mir ist nichts aus eigenem Wissen darüber bekannt, ob und gegebenenfalls in welcher Art es Geschäftsbeziehungen zwischen dem DFB oder dem Organisationskomitee für die WM 2006 und Jack Warner gegeben hat», sagte Schily der «Bild»-Zeitung (Freitag). Der SPD-Politiker war Aufsichtsrat des Organisationskomitees für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006.

Es sei «nicht hilfreich, dass bestimmte Dokumente und Informationen nur bruchstückhaft und gezielt in die Öffentlichkeit gelangen», kritisierte Schily. Vielmehr sollten zunächst die Ergebnisse der externen DFB-Ermittler der Kanzlei Freshfields und der Frankfurter Staatsanwaltschaft abgewartet und Vorverurteilungen vermieden werden. «Franz Beckenbauer kenne ich als integre Persönlichkeit, dem ich nach wie vor vertraue, dass er bei der Bewerbung um die WM 2006 keine unlauteren Mittel angewandt hat», sagte Schily.

dpa