Marseillaise im Wembley - Schwerer Gang für Frankreich

Das Freundschaftsspiel Frankreich gegen England wird im Wembleystadion ausgetragen. Foto: Andy Rain
Das Freundschaftsspiel Frankreich gegen England wird im Wembleystadion ausgetragen. Foto: Andy Rain

Rausgehen und Fußballspielen? So einfach wird es nicht für Frankreichs Nationalmannschaft. Den Schock von den Attentaten in Paris und am Stadion müssen die Spieler erst noch weiter verarbeiten. Mit Aktionen wollen Englands Fußballer ihnen dabei helfen. Es soll ein Symbol für die Verbundenheit mit Frankreich werden: Aus 90 000 Kehlen soll vor dem Spiel der «Équipe tricolore» die berühmte Marseillaise erklingen.

Ob englische Fans oder neutrale Zuschauer, ob französische Spieler oder die Mannschaft aus dem Mutterland. Im berühmten Wembleystadion soll die Fußball-Welt vier Tage nach den schrecklichen Attentaten von Paris und Saint-Denis französisch sprechen.

«Wembley öffnet seine Arme für ein Land in Trauer», titelte die «Times». Dass das Match nach dem Schock von Paris überhaupt stattfindet, bezeichnet Innenministerin Theresa May als Zeichen, dass «die Terroristen nicht gewinnen werden». «Das Spiel wird eine ernsthafte Angelegenheit, aber eine, die zeigt, dass die Fußball-Welt vereint ist gegen solche Grausamkeiten», betonte Englands Coach Roy Hodgson. Der Text der französischen Nationalhymne soll auf den Leinwänden im Stadion für alle zum Mitsingen eingeblendet werden. «Das wird ein historischer Moment voller Emotionen», schrieb die französische Sportzeitung «L'Équipe» am Montag.

Wie der britische «Telegraph» berichtet, planen die Spieler der englischen Mannschaft zudem eine gemeinsame Aktion für ihre Kollegen aus Frankreich. Nicht wenige aus dem Team des Gastgebers der EM im kommenden Jahr verdienen auf der Insel in der Premier League ihr Geld. 

Reaktionen aus der französischen Mannschaft auf die Entscheidung, die Partie wie geplant auszutragen, gab es auch bis Montagmittag nicht. Seit dem 2:0-Sieg gegen Deutschland, der angesichts von mindestens 129 Toten und über 350 Verletzten keinerlei Bedeutung mehr hat, äußerte sich keiner der Akteure öffentlich. «Ich verstehe die Emotionen der Spieler», sagte Frankreichs Verbandschef Noel Le Graet in einem Interview der «L'Équipe». Die Idee sei aber von allen akzeptiert worden. 

Was auch dadurch belegt scheint, dass selbst der persönlich unmittelbar betroffene Lassana Diarra zum selben 23-köpfigen Kader gehört, der am Montag die Reise nach London antrat, der auch schon gegen Weltmeister Deutschland von Trainer Deschamps nominiert worden war. Diarra betrauert den Tod einer Cousine bei den Anschlägen.

Le Great meinte, dass die Spieler Wettkämpfer seien, sobald sie auf dem Spielfeld sind. Ob das in diesem Falle so einfach ist, darf bezweifelt werden. Unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen wird das letzte Länderspiel der Franzosen und Engländer in diesem Jahr stattfinden. Die Fans sind bereits angehalten, früher als sonst zu kommen, weil die Kontrollen mehr Zeit in Anspruch nehmen könnten.

Zu was die Spieler dann fähig sind, wird sich zeigen. Die Tage vor der Partie hatten mit Vorbereitung geschweige denn Einstimmung auf einen weiteren Klassiker im europäischen Fußball nichts zu tun. Das Stade de France verließ die Mannschaft geschockt gegen drei Uhr am Samstagmorgen. Alle öffentlichen Termine desselben Tages wurden abgesagt.

Dabei sollten genau diesen beiden Spiele eigentlich Standortbestimmungen für die Franzosen sein. Ungeschlagen ist die Mannschaft von Deschamps in der EM-Saison, und nicht nur das: Fünf Siege aus fünf Spielen lautet die Bilanz. Das Fehlen von Mittelstürmer Karim Benzema wegen dessen Verwicklung in eine Erpressungsaffäre und von Mathieu Valbuena, der wegen eines Sexvideos erpresst wurde, kompensierte Deschamps Team gegen Deutschland.

Allen voran hatte sich Anthony Martial von Manchester United Bestnoten verdient und mit Mittelstürmer Olivier Girourd vom FC Arsenal erfolgreich harmoniert. Auch gegen England dürfte Deschamps dabei seinen Verjüngungskurs fortsetzen.

Binnen zwei Jahren hat der ehemalige Weltmeister das Durchschnittsalter von 27 Jahren und drei Monaten unter Laurant Blanc bei der EM 2012 auf 26 Jahre und 10 Monate bei der WM 2014 gesenkt. Mit den beiden 19-Jährigen Martial und Kingsley Coman vom FC Bayern verleiht er seiner Mannschaft weitere Frische.

Nur, dass auch das wie praktisch alles andere Sportliche gegen England zweitrangig sein dürfte. Auf dem Weg zurück in so etwas wie Normalität können sich aber auch Frankreichs Fußballer der Solidarität anderer sicher sein, selbst der von Gegnern.

Rund 1400 französische Schlachtenbummler werden erwartet, die sich wie die britischen Fans auf verschärfte Einlasskontrollen gefasst machen müssen. «Es ist sehr wichtig, dass wir unser normales Leben fortsetzen», meinte Premierminister David Cameron.

dpa