Medien: Pharmabranche bezahlt Ärzte für Mitarbeit an Studien

Von der Pharmaindustrie finanziell unterstützte Studien stehen im Verdacht, vor allem den Umsatz bestimmter Medikamente zu fördern. Foto: Matthias Hiekel/Archiv
Von der Pharmaindustrie finanziell unterstützte Studien stehen im Verdacht, vor allem den Umsatz bestimmter Medikamente zu fördern. Foto: Matthias Hiekel/Archiv

Die Pharmaindustrie zahlt nach einem Medienbericht jährlich etwa 100 Millionen Euro an Ärzte für die Mitarbeit an umstrittenen Studien. Das geht aus einer gemeinsamen Datenauswertung von NDR, WDR und «Süddeutscher Zeitung» mit dem Recherchezentrum Correctiv.org hervor. Bei diesen Beobachtungen handelt es sich nach Einschätzung von Wissenschaftlern größtenteils um Scheinstudien mit Patienten, die vor allem dazu dienen, den Umsatz bestimmter Medikamente zu fördern.

Die Journalisten hatten alle in Deutschland gemeldeten sogenannten Anwendungsbeobachtungen von 2009 bis 2014 ausgewertet. Grundlage der Recherche waren Meldungen zu mehr als 1300 Anwendungsbeobachtungen, die die Pharmaunternehmen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) übermittelt haben.

 

Demnach haben allein 2014 rund 17 000 Ärzte an Anwendungsbeobachtungen teilgenommen und dafür im Schnitt 669 Euro pro Patient bekommen. Im Zeitraum 2009 bis 2014 flossen durchschnittlich etwa 100 Millionen Euro an Honoraren für die Übermittlung von Daten zu rund 1,7 Millionen Patienten.

 

Der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Jürgen Windeler, bezeichnete diese Studien gegenüber dem ARD-Magazin «Panorama» als «wissenschaftlich wertlos». Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, kritisiert vor allem die weit verbreiteten Anwendungsbeobachtungen bei Krebsmedikamenten.

 

KBV-Sprecher Roland Stahl sagte, Anwendungsbeobachtungen könnten durchaus sinnvoll sein. Grundsätzlich gelte es aber, hier mehr Transparenz in das System zu bringen. Daran müsse auch die Pharmaindustrie ein Interesse haben. Im übrigen habe der Gesetzgeber zwar KBV, Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beauftragt, solche Studien zu sammeln. Ein «Durchgriffsrecht» gebe es aber nicht.

 

Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) teilte auf Anfrage der Medien mit, Anwendungsbeobachtungen seien ein «unverzichtbares Instrument für die Arzneimittelforschung». Anders als bei klinischen Studien würden hier Informationen über Arzneimittel unter Alltagsbedingungen gewonnen. Der Verband wollte von diesem Jahr an durch Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) im Internet nachvollziehbar machen, welches der an der Initiative beteiligten Unternehmen welchem Arzt welche Zuwendungen gegeben habe.

 

Zur Zeit ist ein Antikorruptionsgesetz für das Gesundheitswesen im parlamentarischen Verfahren. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte: «Das Antikorruptionsgesetz muss so hart gemacht werden, dass es solche Dinge verbietet.»

 

Der Sprecher des AOK-Bundesverbandes Kai Behrens sprach von «reinen Marketinginstrumenten der Pharmaindustrie. Sie setzen Anreize zur Fehlversorgung und bringen keinerlei Erkenntnisgewinn.» Die Krankenkassen könnten leider nicht nachvollziehen, welche Ärzte bei den Studien mitmachen. Nach Ansicht von SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sollten Anwendungsbeobachtungen nur noch möglich sein, wenn sie «von dritter und unabhängiger Stelle geprüft und genehmigt werden». (DPA)