Joker krönen grandioses Bayern-Comeback: 4:2 gegen Juve

Die Bayern retten sich nach famoser Aufholjagd ins Viertelfinale. Foto: Andreas Gebert
Die Bayern retten sich nach famoser Aufholjagd ins Viertelfinale. Foto: Andreas Gebert

Was für ein Wahnsinns-Comeback des FC Bayern! Mit viel Herz und später Offensivkraft ist ein zunächst konfuser deutscher Meister in einem Fußball-Krimi ins Viertelfinale der Champions League gestürmt. Die Torjäger Robert Lewandowski (73. Minute) und Thomas Müller (90.+1) retteten das Ensemble von Pep Guardiola beim 4:2 (2:2, 0:2) gegen Juventus Turin zunächst in die Verlängerung. Dort sorgten die Joker Thiago (108.) und Kingsley Coman (110.) für das umjubelte Happy End an einem denkwürdigen Fußball-Abend.

Paul Pogba (5.) und Juan Cuadrado (28.) hatten am Mittwoch anfangs für Entsetzen unter den 70 000 Zuschauern gesorgt und die Bayern nahe an den frühen Königsklassen-K.o. geschossen.

 

«Ein unglaublicher Abend heute», sagte Kapitän Philipp Lahm im ZDF. «Vielleicht schweißt so ein Spiel noch mehr zusammen. Das Publikum hat uns unglaublich nach vorne gepusht.» Torwart Manuel Neuer lobte die Leistungssteigerung seiner Vorderleute: «In der Verlängerung haben wir gesehen, wie wir in der Lage sind, Fußball zu spielen.»

 

Drei Wochen nach dem kuriosen 2:2 in Turin, als die Münchner eine 2:0-Führung verspielt hatten, ging es im Rückspiel noch dramatischer zu. «Es war faktisch ein Déjà-vu, nur mit umgekehrtem Ausgang», sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. «Die Mannschaft hat Charakter bewiesen. Das sind Spiele, die dazu führen können, dass du weit kommen kannst, aber es sind auch Herzfrequenzspiele.» Müller sprach von einem «bisschen verrückten Spiel».

 

Diesmal ließ sich das Guardiola-Team von Juve-Trainer Massimiliano Allegri anfangs taktisch überraschen. Der italienische Rekordchampion profitierte aber auch von ungeahnten Schwächen der Bayern-Defensive mit zahlreichen Fehlern selbst von sonst so zuverlässigen Stützen wie David Alaba und Torwart Neuer. Doch Juve reichte ein 2:0-Vorsprung nicht zum Erfolg. Nach dem zweimaligen Halbfinalscheitern gegen Real Madrid und den FC Barcelona kann Guardiola in seiner Münchner Abschiedssaison weiter auf den Triumph in Europas Eliteliga hoffen. «Juve war hinten raus vielleicht etwas platt», analysierte Lahm.

 

Dabei begannen die Bayern ohne den verletzten Arjen Robben ungewohnt fahrig. Juve agierte ganz anders als im Hinspiel, störte viel weiter vorne und spielte mutiger. Die Überraschungstaktik ging auf. Fünf Minuten waren erst gespielt, als nach einem langen Pass des überzeugenden Nationalspielers Sami Khedira erst Alaba mit einem Stellungsfehler und dann auch noch Neuer mit einem unüberlegten Ausflug durch den Strafraum patzten und Pogba mit seinem ersten Königsklassen-Treffer dieser Saison das 0:1 erzielte.

 

Das Tor hinterließ Wirkung. Die Münchner taten sich gegen die defensive Fünferkette des italienischen Meisters lange schwer. Douglas Costa probierte es aus der Distanz (18.), ein schönes Anspiel des früheren Juve-Profis Arturo Vidal war etwas zu lang für Lewandowski (19.). Das war es aber auch zunächst.

 

Dann der nächste Bayern-Schock. Alaba verlor am gegnerischen Strafraum den Ball, Morata setzte zu einem Lehrbuch-Konter an, ließ fünf Gegenspieler stehen und passte zu Cuadrado. Der Kolumbianer schloss überlegt zum 0:2 ab. Dem FCB fehlte die ordnende Hand gegen eine taktisch sehr variable und selbstbewusste Gäste-Elf.

 

Der Robben-Ausfall wegen Adduktorenproblemen machte sich bemerkbar, die Münchner kamen nicht dazu, ihre gewohnte Dominanz aufzubauen. Erst nach 42 Minuten sahen die erstaunten Zuschauer die erste echte Bayern-Chance, aber Müller scheiterte an Gianluigi Buffon. Auf der Gegenseite hätte Cuadrado beinahe für den vorzeitigen K.o. gesorgt. Nach Zuspiel von Pogba scheiterte er aus kurzer Distanz an Neuer.

 

«Die Bayern kommen nicht so ins Spiel, das ist überraschend für uns alle. Sie müssen zulegen, wenn sie das noch drehen wollen», sagte Bundestrainer Joachim Löw zur Pause im TV-Sender Sky. Und das taten sie dann auch - und wie. Zunächst vergab Morata Chancen im Minutentakt (56./57./58.). Dann wechselte Guardiola Juan Bernat (46.), Coman (60.) und Thiago (101.) ein - und wurde belohnt.

 

Erst köpfte Lewandowski nach einer Costa-Flanke aus drei Metern ein. In der Nachspielzeit glich Müller ebenfalls per Kopf zum 2:2 aus und rettete sein Team in die Verlängerung. Die schönste Bayern-Kombination mit einem Doppelpass zwischen Müller und Thiago schloss der Spanier souverän zum 3:2 ab. Coman beseitigte nach einem sehenswerten Solo mit dem 4:2 alle Zweifel und sorgte für ausgelassene Festtagsstimmung in der Münchner Arena. (DPA)