«Prooost» statt «Ooom» - Bieryoga wird zum Trend

In Berlin gibt es Menschen, die nach zwei Bier auf einem Bein stehen - beim Yoga. Der Trend kommt aus den USA. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
In Berlin gibt es Menschen, die nach zwei Bier auf einem Bein stehen - beim Yoga. Der Trend kommt aus den USA. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Nach zu viel Alkohol kann so mancher nicht einmal mehr geradeaus laufen. In Berlin gibt es Menschen, die nach zwei Bier auf einem Bein stehen - beim Yoga. Der Trend kommt aus den USA. Die Yoga-Lehrerin stellt gleich einen doppelten Kater in Aussicht. Einen für die Muskeln und einen für den Kopf, aber nur «einen kleinen». Was an diesem Abend in einer Berliner Kneipe stattfindet, ist keine gewöhnliche Sportstunde. Statt «Ooom» heißt es hier «Prooost» und statt «Sonnengruß» gibt es den «Biergruß».

Was ein gutes Dutzend Menschen hier barfuß und mit Gerstensaft tut, nennt sich Bieryoga.

Nach Hot Yoga bei bis zu 40 Grad, Hundeyoga oder Fahrradyoga ist das die jüngste Blüte der ursprünglich indischen Philosophie, die man eher mit Yogi-Tee als mit Bier verbindet.

«Zugegeben widerspricht sich das ein bisschen», sagt Trainerin Jhula, die für eine gemeinnützige Organisation arbeitet, und ihren richtigen Namen lieber für sich behält. «Aber ich kenne total viele Leute, die sowohl Yoga machen als auch Bier trinken.» Die 30-Jährige hat eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin gemacht. «Bierernst» nehme sie den Sport aber nicht.

Vor Beginn der Stunde zeigt sich schnell: Alle Teilnehmer haben schon einmal Bier getrunken. Doch nicht jeder hat bereits Yoga praktiziert. Jhula beruhigt die Neulinge: «Umgekehrt wäre es schwieriger.»

Die Übungen, die dann folgen, kommen vor allem Kneipengängern zugute. Bei einer Position werden die Beine im Stehen umeinandergeschlungen - ganz so, als stünde man in mit einem dringenden Bedürfnis in der Toilettenschlange. Bei einer anderen Übung setzt man sich auf einen imaginären Stuhl. Diese Fertigkeit, erklärt Jhula, sei auch in einer völlig überfüllten Kneipe ohne freie Plätze von Vorteil.

Und das Bier? Etwa zwei Flaschen leeren die Teilnehmer, die alle jung und sportlich aussehen, während der Stunde. Jhula hat das Getränk in die Übungen integriert. An der Herausforderung, die Flasche während einer Pose nur mit den Lippen zu umschließen und zum Trinken anzuheben, scheitern jedoch alle Teilnehmer. Freihändig auf dem Kopf balanciert sie später allerdings der eine oder andere - und das nur auf einem Bein stehend.

In Deutschland ist Bieryoga ein neues Phänomen. In den USA gibt es die Kombination schon länger - etwa unter dem Namen «Detox Retox», der dafür steht, nach dem Entgiften wieder Alkohol zu sich nehmen. Yoga findet dabei oft direkt in der Brauerei statt. Bier gibt es in der Regel aber erst hinterher.

Jhula selbst wurde auf dem Musik-Festival Burning Man in Nevada auf Bieryoga aufmerksam, wie sie erzählt. Sie nahm damals nicht teil, ärgerte sich - und beschloss, ihr eigenes Bieryoga zu kreieren. «Der westliche Yogi hat sich schon immer herausgenommen, Yoga so zu interpretieren wie er das möchte», sagt sie. «Ich finde es schön, dass Yoga weiterentwickelt wird.» In ihren Kursen sei der Männeranteil deutlich höher als normalerweise.

Und die Teilnehmer? Die kommen sich schnell näher. Schon zu Beginn der Stunde prosten sich alle zu, Partnerübungen folgen. Am Schluss unterhalten sich die Bieryogis über die Stunde.

Die gebürtige Bayerin Nina (33) ist eher wegen des Biers gekommen, wie sie erzählt. Mit Yogamatten-Nachbar Noel will sie nach der Stunde noch ein Getränk zu sich nehmen. Der 35-Jährige hat früher öfter Yoga gemacht, wie er erzählt. «Es macht Spaß», sagt er nach dem Kurs. «Ab dem zweiten Bier wird es schwierig.» Tatsächlich ist aber Trainerin Jhula die einzige, der ihre Flasche während der Stunde umkippt.

Passen Yoga und Bier also zusammen? «Ich finde - ehrlich gesagt - nicht», sagt die 28-jährige Jessie, die mit einer Freundin gekommen ist. Für den Spaß sei es aber «schon ganz cool.»

Sportwissenschaftler sehen das nicht ganz so locker. «Sport und Bier gehören während des Aktivseins auf jeden Fall nicht zusammen», betont Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln. «Denn der Alkohol trübt die Wahrnehmung, behindert die Muskelkontrolle, beeinträchtigt die Balance und schränkt die Ausdauer ein.» Weil er auch die Ermüdung fördere, werde zudem die Erholung nach der Stunde behindert. «Wenn schon Flüssigkeit, dann nur Wasser oder in der zweiten Stunde einen Energiedrink», empfiehlt Froböse.

Zum Trinken gezwungen werde beim Bieryoga niemand, betont Jhula. «Jeder so wie er möchte und so viel wie er kann», sei ihre Philosophie. Auch Schwangere hätten bereits teilgenommen - mit alkoholfreiem Bier.

dpa