Türkei will Strafe für Böhmermann

Jan Böhmermann (L) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Foto: Britta Pedersen/Robert Ghement
Jan Böhmermann (L) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Foto: Britta Pedersen/Robert Ghement

Die Türkei verlangt eine Bestrafung des Satirikers Jan Böhmermann nach dessen Schmähgedicht über Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Das Auswärtige Amt erhielt eine entsprechende Verbalnote, hieß es am Sonntag aus Berliner Regierungskreisen. Die Bundesregierung werde den Inhalt der Note sorgfältig prüfen und zügig entscheiden, wie mit dem türkischen Verlangen nach Strafverfolgung umzugehen sei, hieß es. Dazu würden Mitarbeiter des Kanzleramts, des Auswärtigen Amts und des Justizministeriums Anfang der Woche zusammenkommen.

Böhmermann hatte das Gedicht mit dem Titel «Schmähkritik» am 31. März in seiner satirischen Fernsehshow «Neo Magazin Royale» präsentiert - und vorher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon, weil es Anzeigen gegen Böhmermann und ZDF-Verantwortliche gab.

 

Anlass für das Schmähgedicht war Erdogans Protest gegen einen Satire-Beitrag des NDR-Fernsehmagazins «extra 3». Nach eigenen Worten wollte Böhmermann daraufhin an einem praktischen Beispiel erklären, was in Deutschland von der Satire-Freiheit gedeckt sei und was nicht.

 

Mehrere Medien rücken die Debatte - mehr oder weniger augenzwinkernd - in die Nähe einer Staatsaffäre. «In Deutschland brach eine Art Staatskrise aus, nur weil Sie Herrn Erdogan als «Ziegenficker» bezeichnet haben», schrieb Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner in einem offenen Brief an Böhmermann. «Ich finde Ihr Gedicht gelungen. Ich habe laut gelacht», bekannte der Vorstandsvorsitzende des Medienhauses («Bild», «WeltN24») in der «Welt am Sonntag».

 

«Dass Ihr Gedicht geschmacklos, primitiv und beleidigend war, war ja - wenn ich es richtig verstanden habe - der Sinn der Sache», schrieb Döpfner, der nachdrücklich Partei für Böhmermann ergriff und dessen Gedicht als «ein Kunstwerk» bezeichnete. «Ich möchte mich, Herr Böhmermann, vorsichtshalber allen ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen. Vielleicht lernen wir uns auf diese Weise vor Gericht kennen.»

 

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte in einem «Tagesspiegel»-Interview auf die Frage, was er von Böhmermann halte: «Er hat selbst gesagt, er habe ganz gezielt die Grenzen der Meinungsfreiheit ausloten wollen.» Maas wollte sich nicht dazu äußern, ob Böhmermann die Grenzen überschritten habe. Das stehe ihm als Justizminister nicht zu, sagte Maas auch mit Blick auf die laufenden Ermittlungen.

 

Von Böhmermann selbst war am Wochenende nichts zu hören. Eine Einladung zur ARD-Talkshow von Anne Will schlug er aus, wie eine Sprecherin der Moderatorin einen entsprechenden «Bild»-Bericht bestätigte. Demnach sagte auch «extra 3»-Moderator Christian Ehring seine Teilnahme an dem Polit-Talk zum Thema «Streit um Erdogan-Kritik - Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?» ab.

 

Auf Radio Eins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ließ Böhmermann außerdem seine Satire-Sendung «Sanft & Sorgfältig» ausfallen. Die Show, die er gemeinsam mit Musiker und Moderator Olli Schulz präsentiert, ist normalerweise immer sonntags zu hören. «Sie wissen ja sicher, was gerade rund um Jan Böhmermann los ist. Er hat es deshalb in dieser Woche nicht geschafft, diese schöne Unterhaltungssendung aufzunehmen», war am Sonntag im Internetauftritt von Radio Eins zu lesen.

 

Böhmermann war bereits am Freitagabend der Grimme-Preisverleihung im westfälischen Marl ferngeblieben. Dort wurde er für seine Satire um den Stinkefinger des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis ausgezeichnet («Varoufake»). Vom Deutschen Volkshochschul-Verband als Preisstifter erhielt der 35-Jährige zusätzlich die «Besondere Ehrung» für seine Verdienste um die Entwicklung des Fernsehens in der digitalen Welt. Dass die Grimme-Preisverleihung zeitlich mit der Debatte um das Erdogan-Gedicht zusammenfiel, war Zufall. (DPA)