Newscamp: Zeitungen müssen digitalisieren

Journalismus-Professor Jeff Jarvis. Foto: Ole Spata/Archiv
Journalismus-Professor Jeff Jarvis. Foto: Ole Spata/Archiv

Der amerikanische Journalismus-Experte Jeff Jarvis hat die deutschen Zeitungsverleger dazu aufgerufen, stärker mit Google und Facebook zusammenzuarbeiten. «Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass das Publikum zu uns kommt. Wir müssen zum Publikum gehen - und das ist bei Facebook», sagte Jarvis am Mittwoch bei der Digitalkonferenz Newscamp '16 in Augsburg. Statt auf Datenschutz und Leistungsschutzrecht zu setzen, sollten die Zeitungen in eine direkte Beziehung zu ihren Lesern treten und deren Nutzungsdaten auswerten.

Jarvis wies den Vorwurf zurück, die großen Internetplattformen nähmen den Zeitungen mit deren Inhalten die Leser weg: «Niemand besitzt einen Leser.» Journalistischer Inhalt werde auch von den Medien selbst dadurch entwertet, dass alle ständig von anderen abschrieben. Google wisse viel mehr über den individuellen Leser als die Zeitungen, sagte der New Yorker Journalismus-Professor. Für Medienhäuser komme es immer mehr darauf an, ihre Leser zu Clubmitgliedern zu machen und ihnen relevanten, einzigartigen Service anzubieten.

 

Jarvis wurde unter anderem als Autor des Bestsellers «What would Google do?» (Was würde Google tun?) bekannt. Er forderte die Zeitungsmanager dazu auf, konsequent auf digitale Produkte zu setzen. Denn die gedruckte Zeitung werde zum Beiprodukt: «Es wird der Tag kommen, an dem Print optional wird.»

 

Nach Ansicht von Experten werden schon bald die meisten Sportberichte von Roboterjournalisten geschrieben. Drei von vier Fußballtexten auf den Internetseiten deutscher Regionalzeitungen seien in zwei Jahren voraussichtlich automatisch generiert, sagte Philipp Renger vom Softwareanbieter AX Semantics. «Durch die Automatisierung wird die Zahl der Spielberichte sprunghaft steigen.» Dies betreffe alle unteren Ligen, bei denen kein Redakteur vor Ort sei. Für die Zeitungen ergäben sich daraus große Chancen.

 

«Wenn ein Redakteur vor Ort ist, wird er immer mehr berichten können als eine Maschine», räumte der Geschäftsführer des Technologiedienstleisters Retresco, Johannes Sommer, ein. «Und wenn es bei einem 0:0 keine Auswechselung und keine gelbe Karte gibt, wird es haarig.» Aber je mehr Rohdaten es gebe, desto besser könne ein Computer innerhalb kürzester Zeit einen Bericht schreiben, der direkt nach Spielende online gehen könne.

 

Auch für Wahlberichte, Börsen- und Wetternachrichten könnten automatisch erzeugte Texte die Arbeit der Journalisten deutlich entlasten. Wichtig sei dabei Transparenz, mahnte Sommer: Automatisch generierte Texte sollten gekennzeichnet sein. «Das wird in deutschen Redaktionen bisher nicht gemacht.»

 

Mit welchen Strategien die Verlage den digitalen Umbruch bewältigen können, darum geht es beim Newscamp '16. Rund 30 Referenten stellen bis Donnerstag neue Techniken, Vertriebswege und Geschäftsideen vor. Mehr als 300 Digitalexperten nehmen an der Konferenz teil. Sie wird von der Newsfactory GmbH veranstaltet, einer Tochterfirma der Mediengruppe Pressedruck, zu der unter anderem die «Augsburger Allgemeine», die «Main-Post» und der «Südkurier» gehören. (DPA)