Bayern zu zahm: Champions-League-Finale in Gefahr

Nach der 0:1-Niederlage bei Atlético Madrid trotten die Spieler des FC Bayern München über das Spielfeld. Foto: Peter Kneffel
Nach der 0:1-Niederlage bei Atlético Madrid trotten die Spieler des FC Bayern München über das Spielfeld. Foto: Peter Kneffel

Der Halbfinalfluch des FC Bayern München in der Champions League droht sich auch im Abschiedsjahr von Pep Guardiola fortzusetzen. Der deutsche Fußball-Rekordmeister verlor das Hinspiel bei Atlético Madrid nach einer lange erstaunlich harmlosen Vorstellung mit 0:1 (0:1). «Wir haben noch 90 Minuten vor der Brust. Wir werden von Anfang an Gas geben und dann versuchen wir, das zu drehen», versprach Kapitän Philipp Lahm gleich nach dem Abpfiff im Éstadio Vicente Calderon.

 

Wie schon beim Aus gegen Real Madrid (2014) und den FC Barcelona (2015) verpassten es die Bayern trotz einer Steigerung in der Schlussphase erneut, in der ersten Partie das so wichtige Auswärtstor zu erzielen. Den entscheidenden Treffer des Abends erzielte der 21 Jahre alte Saul Niguez (11. Minute) nach einem tollen Sololauf, der bezeichnend war für das zu körperlose Spiel der Münchner.

 

«Wir haben in den letzten Tagen oft über die ersten Minuten von Atlético gesprochen. Das Ergebnis ist kein tolles Ergebnis. Aber wir haben noch 90 Minuten und werden es probieren. Wir müssen daraus lernen und schauen, dass uns das nächsten Dienstag nicht wieder passiert. In der Champions League braucht man 90 gute Minuten, nicht 75, das wissen wir», sagte Guardiola im ZDF.

 

Gegen Borussia Mönchengladbach können die Bayern den nationalen Titel am Samstag perfekt machen. Am Dienstag besteht im eigenen Stadion noch die Möglichkeit, gegen Atléticos Abwehrbollwerk den Traum vom Königsklassen-Endspiel am 28. Mai in Mailand wahr werden zu lassen. «Wir glauben daran, dass wir das Finale noch erreichen können. Wir werden dafür alles investieren», sagte Torwart Manuel Neuer. Atlético bewies aber, dass man unter Trainer Diego Simeone in der Lage ist, auf Ergebnis zu spielen. Glück hatten die Münchner zudem bei einem Pfostenschuss von Fernando Torres (75.).

 

Guardiola muss zudem eine glücklichere Hand bei der Auswahl seines Personals und der Taktik haben. Die mutlose Start-Aufstellung vor mehr als 50 000 Zuschauern ohne die Offensiv-Asse Thomas Müller und Franck Ribéry erwies sich als Eigentor. Die Siegermentalität des Duos, das erst in der zweiten Halbzeit kam, fehlte. «Wir waren sehr gut eingestellt. Trotzdem haben wir in der ersten Halbzeit Mut und Aggressivität vermissen lassen. In der zweiten Halbzeit wurde es besser. Es ist schade, dass wir nicht belohnt worden sind», sagte Neuer.

 

Guardiola wählte eine auf Kontrolle bedachte Grundformation inklusive seines kompletten Spanien-Quartetts mit Javier Martinez und Juan Bernat in der Viererkette und davor Xabi Alonso und Thiago im Verbund mit dem chilenischen Abräumer Arturo Vidal. Für Jérôme Boateng war nach seiner Adduktorenverletzung noch nicht die Zeit für's Comeback.

 

Alle Bayern-Vorsicht nützte nichts. Atlético brauchte keine Warmlaufphase. Die Hausherren drückten sofort und trafen tatsächlich auf erstaunlich verhaltene Münchner. Eine nicht gekannte Anzahl an Abspielfehlern machte einen gefährlichen Spielaufbau der Bayern unmöglich. Es fehlte jede der Bedeutung angemessene Aggressivität.

 

«Wir haben versucht, die Zweikämpfe zu gewinnen. Wir haben unsere Chancen leider nicht genutzt», sagte Alaba, der wie Kollegen den sehr trockenen und stumpfen Rasen erwähnte, nicht als Entschuldigung, aber als Fakt. War dies einer der berühmten Tricks von Simeone? «Der Rasen ist der Rasen», sagte Guardiola bei Sky.

 

Niguez düpierte bei seinem Tor fast die komplette Hintermannschaft, ließ Thiago und Bernat stehen, umspielte auch noch Alonso und den zögerlichen Alaba. Vidal grätschte zu spät - Neuer war chancenlos. Gefahr für das Atlético-Tor gab es in der ersten Hälfte nicht. Douglas Costa schoss einmal ans Außennetz.

 

Guardiola agierte ruhig in seiner Coachingzone und musste mit ansehen, wie Neuer gegen den heranstürmenden Antoine Griezmann (30.) mit dem Fuß parieren konnte. Der FC Bayern war als solcher nicht zu erkennen. Von Mia san Mia war keine Spur.

 

Auch in der zweiten Halbzeit fehlte erstmal der große Zug zum Tor. Die ersten offensiven Lebenszeichen setzten ausgerechnet die Innenverteidiger: Alaba (54.) drosch aus 30 Metern an die Unterkante der Latte. Kurz darauf prüfte Martinez (57.) Atlético-Torwart Jan Oblak per Kopfball. Die Bayern nahmen endlich Fahrt auf.

 

Robert Lewandowski zog aus spitzem Winkel knapp vorbei. Atlético hatte sich in seiner Hälfte eingeigelt. Guardiola brachte jetzt Ribéry für den wirkungslosen Kingsley Coman. Vidal (73.) versuchte es gegen Oblak per Gewaltschuss. Jetzt gingen die Münchner volles Risiko. Belohnen konnten sie sich nicht mehr. (DPA)