«Gold aus der Ostsee»: Bernstein gibt es in vielen Farben

Der äthiopische Bernstein leuchtet bei Lichteinfall grün. Foto: Eva Krafczyk
Der äthiopische Bernstein leuchtet bei Lichteinfall grün. Foto: Eva Krafczyk

Bernstein - das ist das mal gelb, mal rötlich schimmernde «Gold aus der Ostsee». Doch mittlerweile gibt es auch exotische Farbva-rianten aus ganz anderen Weltregionen. Neuerdings auch aus Äthiopien. Die äthiopische Flagge vor der weltgrößten Bernsteinmesse «Amberif» im polnischen Gdansk (Danzig) sorgte im März für Verwirrung: Was hat Äthiopien mit Bernstein zu tun? Der gelb oder rötlich schimmernde Stein, in dem mitunter noch Insekten zu finden sind, die vor Millionen Jahren in einem Harztropfen eingeschlossen wurden, wird vor allem entlang der Ostseeküste gefunden.

Polen und Litauen, aber auch die russische Exklave Kaliningrad gelten als klassische Bernsteinregionen. Äthiopien passt da nicht recht ins Bild.

Retta Amanuel aus der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba lächelt gelassen. «Natürlich ist Ostsee-Bernstein bei weitem der bekannteste», gibt er zu. «Aber mittlerweile wird auch in anderen Regionen Bernstein gefunden, der sich von dem klassischen aus der Ostsee unterscheidet. Blauer Bernstein aus Sumatra ist bei manchen Schmuckdesignern zur Zeit total gefragt - sehr teuer und sehr selten. Der äthiopische Bernstein wartet noch auf seinen Durchbruch.»

Die Steine, die Amanuel auf der Amberif präsentierte, sehen auf den ersten Blick unauffällig aus. Doch wenn ein Licht auf Bruchstellen oder einen geschliffenen Stein gerichtet wird, leuchtet er grün - mal ein helles gelbgrün, andere in einem dunklen intensiven Farbton.

«Äthiopischer Bernstein ist vermutlich rund 20 Millionen Jahre alt, er unterscheidet sich von gelbem Bernstein», sagt Amberif-Sprecherin Ewa Rachon. Der klassische Bernstein ist bis zu 40 Millionen Jahre alt. «Aber auch in äthiopischem Bernstein gibt es Inklusionen.» Genaue geologische Untersuchungen liefen noch, denn vorerst ist äthiopischer Bernstein in der Branche ein Novum.

«Wir waren 2015 erstmals auf der Amberif, da ging es uns vor allem darum, dass die Steine von Fachleuten als Bernstein anerkannt werden», sagt Amanuel, der bislang vor allem mit äthiopischen Opalen handelt. «Nun hoffen wir, Designer in Polen und in Europa für äthiopischen Bernstein interessieren zu können.»

Der erste äthiopische Bernstein war ein Zufallsfund, berichtet Amanuel. «Arbeiter sind bei Straßenbauarbeiten im Rift Valley auf die Steine gestoßen, und die Regierung ließ das Vorkommen prüfen.» Nun werde dort Bernstein abgebaut.

Das Rift Valley - das ist der Afrikanische Grabenbruch, der wie ein tiefer Riss durch den halben Kontinent verläuft. Vor allem in Äthiopien und Kenia ist er eine reiche Schatzkammer für Geologen und Archäologen. Ostafrika gilt als «Wiege der Menschheit»: In der Danakil-Senke im äthiopischen Rift Valley wurde 1974 das Teilskelett «Lucy» gefunden, dessen Alter auf 3,2 Millionen Jahre geschätzt wird. Die Überreste der «Urmutter der Menschheit» sind heute im Äthiopischen Nationalmuseum in Addis Abeba ausgestellt.

Falls «Lucy» schon Bernsteinschmuck kannte, müsste er also grün gewesen sein? Amanuel lacht nur und winkt ab - Urmenschen seien nicht sein Spezialgebiet. «Auch in Äthiopien ist der grüne Bernstein bis jetzt noch weitgehend unbekannt», gibt er zu. «Die Priester und Mönche haben zwar seit Jahrhunderten Perlenketten aus Bernstein - aber das ist der klassische gelbe Bernstein, den jemenitische Händler nach Äthiopien brachten.» Künftig, so hofft er, wird auch in seiner Heimat am Horn von Afrika grüner Bernstein zu Schmuck verarbeitet.

dpa