Hartz-IV-Bezieher sollen leichter in Rente geschickt werden

Hartz-IV-Empfänger werden oft aufgefordert, vorzeitig mit 63 in Rente zu gehen, obwohl sie dabei Abschläge hinnehmen müssen. Foto: Stephanie Pilick/Archiv
Hartz-IV-Empfänger werden oft aufgefordert, vorzeitig mit 63 in Rente zu gehen, obwohl sie dabei Abschläge hinnehmen müssen. Foto: Stephanie Pilick/Archiv

Die Koalition will den zwangsweisen Wechsel von Hartz-IV-Empfängern in die Rente erleichtern. Jobcenter sollen künftig Hartz-IV-Leistungen streichen, wenn Langzeit-arbeitslose nicht die nötigen Unterlagen zur vorzeitigen Verrentung vorlegen. Das sieht ein geplanter Änderungsantrag für ein derzeit im Bundestag beratenes Gesetz zu Rechtsvereinfachungen bei Hartz IV vor. Bereits seit Längerem fordern Sozialverbände, Gewerkschaften und Opposition, die Praxis der «Zwangsverrentung» aufzugeben.

Nach Schätzungen werden jährlich tausende Hartz-IV-Empfänger aufgefordert, vorzeitig mit 63 in Rente zu gehen, obwohl sie dabei Abschläge hinnehmen müssen. Kommen die Menschen der Aufforderung nicht nach, können Jobcenter die Anträge dafür stellen.

 

Nötige Unterlagen würden die Betroffenen aber oft nicht vorlegen, heißt es in der Begründung des neuen Vorstoßes. Nach bisheriger Rechtslage seien die Möglichkeiten zur Einwirkung auf die Betroffenen damit erschöpft. Deshalb sollen die Jobcenter in solchen Fällen künftig Leistungen versagen, bis die Betroffenen ihren Mitwirkungspflichten nachkommen.

 

Heftige Kritik an den Plänen kam von den Linken. «Mit dem Beschluss zur sogenannten Flexi-Rente will die Bundesregierung das Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus attraktiver machen», sagte ihr Rentenexperte Matthias W. Birkwald der dpa. «Gleichzeitig verschärft sie die Praxis der Jobcenter, ältere Arbeitslose ab 63 auszusortieren und aufs Abstellgleis zu schicken.» Widersprüchlicher könne Politik nicht sein. Der Politiker nahm damit Bezug auf einen anderen aktuellen Gesetzentwurf, mit dem fließendere Übergänge in die Rente erleichtert werden sollen.

 

Birkwald forderte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) auf, die Zwangsverrentung abzuschaffen und stattdessen ein Sonderprogramm zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit im Alter vorzulegen. Linke-Chefin Katja Kipping sagte: «Die sogenannte Rechtsvereinfachung entpuppt sich immer mehr als Repressionsverschärfung.»

 

Auch an einer anderen geplanten Änderung übte die Linke Kritik. Dabei geht es um Hartz IV für Kinder getrennt lebender Eltern, bei denen nur ein Elternteil hilfebedürftig ist. Bei der Berechnung der Leistungen sollen nur die Tage berücksichtigt werden, an denen sich das Kind auch beim Elternteil mit Hartz IV aufhält.

 

Kipping kritisierte: «Rechtsvereinfachung nennt es die große Koalition, wenn Müttern mit Hartz IV der Lebensunterhalt für ihre Kinder gekürzt wird, weil das Kind ein paar Tage beim umgangsberechtigten Vater ist, der kein Hartz IV bezieht.» Dabei lasse sich der monatliche Lebensunterhalt gar nicht nicht tagegenau aufschlüsseln.

 

Der von Kipping kritisierte Passus steht im Zusammenhang mit einer geplanten Vereinfachung bei getrennten Paaren mit Kindern. Bisher mussten Jobcenter Hartz-IV-Leistungen für das Kind unter Benennung von dessen jeweiligen exakten Anwesenheitstagen beim Vater oder der Mutter berechnen. Künftig soll es reichen, die jeweilige Gesamtzahl der Aufenthaltstage zu berücksichtigen. (DPA)