Festakt für ein Jahrhundertwerk

Der Gotthard-Basistunnel ist mit gut 57 Kilometern Bahnstrecke der längste Eisenbahntunnel der Welt. Foto: Laurent Gillieron
Der Gotthard-Basistunnel ist mit gut 57 Kilometern Bahnstrecke der längste Eisenbahntunnel der Welt. Foto: Laurent Gillieron

Großer Bahnhof für ein großartiges Bauwerk: Zur Eröffnung des mit 57 Kilometern längsten Eisenbahntunnels der Welt reisen heute hochrangige Gäste in die Schweiz - unter ihnen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Der in 17-jähriger Bauzeit für umgerechnet rund 11 Milliarden Euro (12,2 Milliarden Franken) fertiggestellte Gotthard-Basistunnel ist das Herzstück der «Neuen Eisenbahn-Alpentransversale» (NEAT). Er wurde weitgehend im Rahmen der finanziellen und zeitlichen Vorgaben gebaut.

Mit dem europäischen Großprojekt sollen weite Teile des Güterverkehrs zwischen dem Nordseehafen Rotterdam und Genua am Mittelmeer von der Straße auf die Schiene verlegt werden. Der fahrplanmäßige Betrieb durch den Gotthard-Basistunnel soll nach etlichen weiteren Testfahrten am 11. Dezember aufgenommen werden.

 

Dobrindt würdigte das Großprojekt im Vorfeld der Eröffnungsfeier als «historisches Schlüssel- und Vorzeigeprojekt für grenzüberschreitende Mobilität». Der neue Gotthard-Eisenbahntunnel verbinde Industrie- und Ballungszentren auf beiden Seiten der Alpen und helfe damit, «die Wirtschaft und die Menschen in Europa noch enger zusammenzuführen».

 

Was die Schweizer mit Stolz erfüllt, nehmen Kritiker der deutschen Verkehrspolitik zum Anlass, der Bundesregierung Vorwürfe zu machen: Statt entschlossen auf die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene hinzuwirken, habe Berlin wichtige internationale Zusagen für das NEAT-Projekt nicht erfüllt, rügt der ökologisch engagierte Verkehrsclub Deutschland (VCD).

 

Zum Leidwesen der Schweiz sei bislang erst eine von drei 1996 versprochenen Zulaufstrecken für die Alpenquerung in Angriff genommen worden - nämlich der Neu- und Ausbau der 182 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Karlsruhe und dem Schweizer Schienennetz ab Basel. Fertig kann dieses Projekt zur Modernisierung der Rheintalbahn frühestens vor 2035 werden.

 

Besser funktioniere in Deutschland freilich der Straßenbau, erklärte der Landesvorsitzende des VCD Baden-Württemberg, Matthias Lieb: «Damit die Lastwagen schneller in die Schweiz kommen, wurde innerhalb weniger Jahre die Autobahn von Baden-Baden nach Offenburg sechsspurig ausgebaut, nachdem zuvor die Planungsmittel für den Ausbau der Rheintalbahn gestrichen wurden.» Angesichts dessen sei die Effizienz, mit der die Schweiz den Gotthard-Basistunnel fertiggestellt habe, eine «Blamage» für die deutsche Verkehrspolitik.

 

Dobrindt lobte dagegen die Arbeiten an der Rheintalbahn-Strecke: «Wichtige Meilensteine wurden bereits erreicht, mehrere Abschnitte wurden fertiggestellt.» Und gerade erst habe er den Anstich des dafür geplanten Tunnels Rastatt vorgenommen. Der soll gut vier Kilometer lang, bis zu 20 Meter tief und bis 2022 fertig werden.

 

Derweil wird der neue Gotthard-Eisenbahntunnel weltweit als herausragende technische und organisatorische Meisterleistung gewürdigt. Seine Gleise verlaufen bei nur geringen Steigungen sowie ohne enge Kurven auf einer Höhe von maximal 550 Metern über dem Meeresspiegel. Experten sprechen von einer «Flachbahn». Darüber türmt sich bis zum Gipfel des Gotthards bis zu 2300 Meter Fels.

 

Dank der nur geringen Höhe und des ebenen Streckenverlaufs brauchen Züge weniger Lokomotiven und können so preisgünstiger, vor allem weit schneller als im alten Gotthard-Tunnel fahren - Personenzüge mit bis zu 250 Stundenkilometern, Güterzüge mit bis zu 160 km/h.

 

Der Zeitgewinn zwischen Zürich und Mailand beträgt - nach Fertigestellung des kleineren, ergänzenden Ceneri-Tunnels ab 2020 - rund 45 Minuten. Statt bislang maximal 180 Güterzüge sollen künftig pro Tag 260 durch die neuen Röhren rollen.

 

Noch vor den geladenen Prominenten dürfen 1000 per Los ermittelte Einwohner der Schweiz mit Sonderzügen durch den neuen Tunnel zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Kanton Tessin fahren. Die Geste gilt als Ausdruck des Dankes an die Bevölkerung, die das Jahrhundertbauwerk durch ihre Zustimmung bei einem Volksentscheid sowie mit der Finanzierung als Steuerzahler ermöglicht hat.

 

Wie sehr die Schweizer zur Verkehrspolitik ihrer Regierung und insbesondere zum Gotthard-Basistunnel stehen, machte eine repräsentative Umfrage kurz vor dessen Eröffnung deutlich: Acht von zehn Schweizern erachten demnach die Milliardenkosten für gerechtfertigt. Als Grund nannten sie erwartete wirtschaftliche Vorteile. Zudem erklärten 80 Prozent der Befragten, dass solche Projekte wichtig seien «für das Bild der Schweiz im Ausland». (DPA)