Keine Einigung im Asylstreit

Der Artikel 16 des Grundgesetzes auf einer Plexiglasscheibe am Reichstag. Foto: Jens Kalaene
Der Artikel 16 des Grundgesetzes auf einer Plexiglasscheibe am Reichstag. Foto: Jens Kalaene

Im Streit um die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer dürfte eine Entscheidung erst unmittelbar vor der Bundesratssitzung am Freitag fallen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte Gespräche mit den Ländern an. Die in der Asylfrage zerstrittene grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg schob eine Festlegung weiter auf. Auch die Anrufung des Vermittlungs-ausschusses war eine Option.

 

Der Stuttgarter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ließ am Dienstag durchblicken, dass er eine Aufnahme der drei Maghreb-Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten unter gewissen Bedingungen befürworte. Ziel der Neuregelung ist es, Asylbewerber aus diesen Ländern schneller zurückschicken zu können.

 

Die Grünen verweisen jedoch auf die schwierige Menschenrechtslage in den drei Ländern. Gefährdete Gruppen wie Homosexuelle, politische Akteure und Journalisten müssten weiter Schutz erhalten. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und Amnesty International lehnen die Verschärfung des Asylrechts ab.

 

Kretschmann sagte, die Nicht-Festlegung seines Kabinetts entspreche der «ungewöhnlichen» Bitte der Bundesregierung an die Länder, mit Beschlüssen zu warten, damit vor der Bundesratssitzung am Freitag Verhandlungen noch möglich seien. In der Frage war in der erst seit wenigen Wochen amtierenden grün-schwarzen Landesregierung ein heftiger Streit entbrannt.

 

Die Zustimmung Baden-Württembergs alleine würde dem Gesetz aber nicht zur Mehrheit in der Länderkammer verhelfen. Mindestens drei der zehn von den Grünen mitregierten Länder müssten den Beschluss mittragen. Kretschmann sagte dazu: «Eine Mehrheit im Bundesrat zeichnet sich nach meiner Kenntnis nicht ab.»

 

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte: «Wir sind im Kontakt, auch mit Baden-Württemberg und Hessen. Wir werden sehen, ob die Kontakte zu vernünftigen Vereinbarungen führen. Wenn nicht, dann wird abgestimmt, und dann werden wir sehen, wer wo steht. Wir machen keinen unsauberen Deal.»

 

Die rheinland-pfälzische Ampel-Koalition will sich im Bundesrat bei der Entscheidung enthalten. Das entschied das Kabinett am Dienstag. Enthaltungen zählen faktisch als Neinstimmen. In Hessen bemühte sich die schwarz-grüne Landesregierung weiter um einen Kompromiss. «Noch ist eine Anrufung des Vermittlungsausschusses möglich», sagte ein Regierungssprecher in Wiesbaden.

 

Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung will sich im Bundesrat voraussichtlich enthalten - ebenso wie das rot-grün regierte Hamburg. Die rot-grün regierten Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wollen sich erst in den kommenden Tagen festlegen.

 

Altmaier kündigte im ARD-«Morgenmagazin» an, in den Gesprächen mit den Ländern solle Schritt für Schritt analysiert werden, wie man deren Befürchtungen entkräften könne. Es bleibe dabei, dass Menschen, die verfolgt würden, Asyl in Deutschland bekommen könnten. Bei der übergroßen Mehrheit der Asylbewerber aus diesen Staaten sei das aber nicht der Fall. Es gehe darum, diesen Menschen das deutliche Signal zu geben, dass es sich nicht lohne, nach Deutschland zu kommen.

 

Dass die Bundesregierung noch auf Verhandlungen mit den Ländern setzt, hält die Grünen-Vorsitzende Simone Peter für nicht zielführend - «weil es keinen Sinn macht, im Monatsrhythmus mit dem Konstrukt der sicheren Herkunftsländer konfrontiert zu sein.»

 

Die Zahl der Flüchtlinge aus Algerien, Marokko und Tunesien in Deutschland ist aktuell vergleichsweise niedrig. Von Anfang Januar bis Ende Mai wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums insgesamt 5272 Menschen aus diesen Staaten als asylsuchend erfasst. (DPA)