Mietpreisbremse auf dem Prüfstand

Foto: ©helmutvogler - Fotolia
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Als Popularklage bezeichnet man im Rechtswesen eine Klage, die von jemandem erhoben werden kann, der durch die angegriffene Handlung nicht unmittelbar in den eigenen Rechten verletzt wird.

Eine solche wurde von Haus + Grund München beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof aufgrund der zahlreichen und erheblichen Mängel der Bayerischen Verordnung zur umstrittenen Mietpreisbremse eingereicht.

 

Rechtsanwalt Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus und Grund München, informierte auf der Pressekonferenz ausführlich und begründet die Klage wie folgt:

 

Bereits wenige Wochen nach Inkrafttreten der Mietpreisbremseverordnung zum 1.8.2015 wurde diese Verordnung von der Bayerischen Staatsregierung durch eine neue Verordnung ersetzt. Mit dieser neuen am 1.1.2016 In Kraft getretenen Mieterschutzverordnung (GVBl. 2015 S. 398) wurden aus der Gebietskulisse der insgesamt 144 in der ehemaligen Mietpreisbremseverordnung genannten Städte/Gemeinden, in denen bei der Neuvermietung einer Wohnung eine Mietpreisbegrenzung (maximal 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete) gelten soll, 15 Städte/Gemeinden entfernt und 9 Städte/Gemeinden neu aufgenommen. Plausible Gründe dafür, warum der Katalog der Städte/Gemeinden, in denen nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung ein „angespannter Wohnungsmarkt“ besteht, bereits nach wenigen Wochen wieder geändert worden ist, wurden nicht genannt.

 

 

Mieterschutzverordnung statt Mietpreisbremseverordung

 

Auch beim Erlass der neuen Mieterschutzverordnung hat die Bayerische Staatsregierung – wie bereits bei der Mietpreisbremseverordnung (s. BHZ 12/2015) – die Anforderungen missachtet, die der Bundesgesetzgeber an eine solche Verordnung stellt. Danach muss aus der Begründung der Verordnung für jeden Bürger ersichtlich sein, aus welchen Gründen in seiner Stadt/Gemeinde eine Mietpreisbremse eingeführt worden ist, z.B. weil die Mieten dort besonders stark gestiegen sind, die Mietbelastung der Bürger überdurchschnittlich hoch ist oder ein überdurchschnittlich starker Wohnungsmangel vorliegt.

 

Entgegen diesen Anforderungen des Bundesgesetzgebers hat es sich die Bayerische Staatsregierung einfach gemacht. Sowohl in der (ehemaligen) Mietpreisbremseverordnung als auch in der (neuen) Mieterschutzverordnung werden lediglich 144 bzw. jetzt 138 Städte/ Gemeinden und dazu pauschal 11 Kriterien aufgelistet, die für eine Aufnahme dieser Städte/Gemeinden sprechen könnten. Eine Zuordnung von konkreten Kriterien zu einer bestimmten Stadt/Gemeinde – wie es der Bundesgesetzgeber vorschreibt – ist nicht erfolgt. Daher ist weder aus der Verordnung noch aus deren Begründung ersichtlich, ob für eine Großstadt wie München andere Kriterien maßgeblich waren als für eine kleine Gemeinde mit wenigen Tausend Einwohnern - ein klarer Verstoß gegen die zwingende Begründungspflicht, die der Bundesgesetzgeber den Ländern auferlegt hat. 

 

 

Nichtigkeit wegen fehlender Segmentierung

 

Ein weiterer Grund für die Nichtigkeit der Verordnung beruht auf der fehlenden Segmentierung durch den Verordnungsgeber. Dieser ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, die Verordnung räumlich auf bestimmte Stadt- bzw. Gemeindeteile zu begrenzen (BGH, Urteil v. 4.11.2015, VIII ZR 217/14). Allerdings kann und muss der Verordnungsgeber die Mietpreisbremse gegenständlich, d.h. auf den nach dem Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage schutzbedürftigen Wohnraum begrenzen.

 

Nach der vorliegenden Gesetzesbegründung soll die Mietpreisbremse der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenwirken und dafür sorgen, dass einkommensschwächere Haushalte in den betroffenen Gebieten eine für sie noch bezahlbare Wohnung finden können (Bundestagsdrucksache 18/3121 S. 15). Dieser Zweck gebietet es aber gerade nicht, auch Wohnungen mit einer Mietpreisbremse zu belegen, die von Wohnungssuchenden nicht übermäßig nachgefragt sind oder mit denen der Wohnungsmarkt ausreichend versorgt ist und es daher nicht zum Ausnutzen einer Mangelsituation kommen kann (Lehmann-Richter WuM 2015, S. 208 unter Verweisung auf Blankenagel/Schröder/Spoerr NZM 2015, 1, 18). In Städten mit einem heterogenen Wohnungsmarkt, wie z.B. in der Stadt München, in der es zwar einerseits einen Mangel an Wohnungen im unteren Mietpreissegment gibt; andererseits aber auch einen signifikanten Markt für hochpreisige Wohnungen im Luxussegment ohne Nachfrageüberhang und ohne Klientel, das nach dem Sinn und Zweck der Mietpreisbremse geschützt werden soll, müssen solche Wohnungen von der Mietpreisbremse ausgenommen werden (so auch Blank, WuM 2014, S. 645, wonach in einer Großstadt eine Differenzierung und Beschränkung auf den Teilmarkt unerlässlich ist).

 

Solche Ausnahmen sieht die Verordnung für keine der betroffenen Gemeinden vor. Damit verstößt die Verordnung zudem gegen das aus Artikel 20 Grundgesetz abzuleitende Übermaßverbot, das es gebietet, eine Mietpreisbremse auf das erforderliche Maß zu beschränken (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage 2015, RN 28 zu § 556 d BGB; Herlitz ZMR 2014, 262; Blank WuM 2014, 641; Lehmann-Richter WuM 2015, 204).

 

 

Popularklage gem. Art. 98 Bayerische Verfassung

 

Aufgrund der zahlreichen und erheblichen Mängel der Bayerischen Verordnung hat Haus + Grund München jetzt eine Überprüfung veranlasst und Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof (Art. 98 S. 4 BV) eingereicht. Prozessbevollmächtigter ist Professor Dr. Christoph Brüning, Richter am Landesverfassungsgericht Schleswig- Holstein und Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften an der Universität Kiel.

 

 

Auch Verfassungsbeschwerde möglich

 

Unabhängig von dieser generellen gerichtlichen Prüfung der Verordnung kann im Einzelfall ein Vermieter, der von seinem Mieter beispielsweise auf (teilweise) Rückzahlung der Miete in Anspruch genommen wird, weil der Mieter der Auffassung ist, die vereinbarte Miethöhe würde gegen die Bestimmungen der Mietpreisbremse verstoßen, die Gründe für die Nichtigkeit der Mietpreisbremse in das zivilrechtliche Verfahren einbringen. Erfolgt keine Verwerfung der Verordnung durch das Mietgericht, kann nach Erschöpfung des Rechtswegs auch Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben werden.  

 

 Mehr Informationen finden Sie auch unter:

www.haus-und-grund-muenchen.de