Defizite bei «Digitaler Agenda» in Mittelstand und Behörden

Eines der Etappenziele war die Abschaffung der Störerhaftung für öffentliche WLAN-Hotspots. Foto: Robert Schlesinger/Archiv
Eines der Etappenziele war die Abschaffung der Störerhaftung für öffentliche WLAN-Hotspots. Foto: Robert Schlesinger/Archiv

Die Bundesregierung hat ihre «Digitale Agenda» nach zwei Jahren bereits zu großen Teilen umgesetzt. Das geht aus einer Analyse des Branchenverbandes Bitkom hervor, die in Berlin veröffentlicht wurde. Von 121 Punkten des Regierungsprogramms seien 66 umgesetzt, weitere 46 seien in Arbeit. «Nur bei 9 Projekten ist noch nichts passiert», erklärte der Digitalverband. Vor einem Jahr waren demnach erst 36 Projekte abgeschlossen und 60 in Arbeit. Allerdings gebe es auch noch große Defizite, gerade im Mittelstand und in der öffentlichen Verwaltung.

 

«Die Digitale Agenda der Bundesregierung ist auf einem guten Weg. Mehr als 90 Prozent der Einzelmaßnahmen sind fortgeschritten oder bereits abgeschlossen - das ist eine beachtliche Bilanz», sagte Bitkom-Präsident Thorsten Dirks. «Nach Schulnoten ist das eine glatte Zwei».

 

Wichtige Etappenziele seien die Versteigerung der 700-MHz-Frequenzen, die bislang vom terrestrischen Fernsehen genutzt werden, die Abschaffung der Störerhaftung für öffentliche WLAN-Hotspots, die EU-Datenschutzverordnung sowie die Einrichtung einer Teststrecke für selbstfahrende Autos auf der A9. Das E-Health-Gesetz habe die Digitalisierung des Gesundheitswesen vorangebracht. Allerdings sei in dem Gesetz das Thema der tragbaren Computer und Fitness-Tracker (Wearables) nicht berücksichtigt worden.

 

Der Verband erwartet, dass die weitere Arbeit durch den Wahlkampf zu den Bundestagswahlen im Herbst 2017 behindert wird. «So erfreulich die Umsetzung der Digitalen Agenda ist, so wenig dürfen wir uns auf dem Erreichten ausruhen», sagte Dirks. «Die digitale Transformation hält nicht inne, nur weil Wahlkampf ist. Wir müssen den aktuellen Schwung nutzen und über die erreichten Etappenziele hinausgehen.»

 

Bei der Digitalisierung der Verwaltung hinke Deutschland im europäischen Vergleich weit zurück. «Das befinden wir uns nur im letzten Drittel», sagte Dirks.

 

Defizite machte der Verband auch in der mittelständischen Wirtschaft aus. Nur sieben Prozent der Unternehmen mit 20 bis 500 Mitarbeitern in Deutschland hätten eine Internetverbindung mit 50 Megabit pro Sekunde oder mehr gebucht. Dabei könnten laut dem Breitbandatlas der Bundesregierung 67 Prozent der Unternehmen an Gewerbestandorten selbst dann über eine Bandbreite von mehr als 50 Mbit/Sekunde verfügen, wenn sie keine speziellen Business-Angebote wie Standleitungen oder Richtfunk nutzen wollten.

 

«Der deutsche Mittelstand bewegt sich auf der Kriechspur ins digitale Zeitalter», kritisierte Dirks. In den Kinderzimmern werde schneller gesurft als in den Chefetagen der Wirtschaft.

 

Der Verband bemängelte, dass es an den Schulen in Deutschland kein Pflichtfach Informatik gibt. «Längst ist die Fähigkeit, Programmcode zu lesen, zu verstehen und selbst zu schreiben ähnlich bedeutsam, wie einen Text lesen und schreiben zu können», sagte Dirks. «Aber die Beharrungskräfte in unserem Bildungssystem sorgen dafür, dass wir jahrelang fruchtlos über entscheidende Änderungen diskutieren.»

 

Mit der «Digitalen Agenda 2014 - 2017» will die Bundesregierung «die Chancen der Digitalisierung nutzen, um Deutschlands Rolle als innovative und leistungsstarke Volkswirtschaft in der Europäischen Union und der Welt auszubauen». (DPA)