Limone am Gardasee: Wo Ora Zitronen in die Welt trug

Ein Ort, der zum Verweilen einlädt: Limone am Gardasee. Foto: Consorzio Turistico Limone sul Garda
Ein Ort, der zum Verweilen einlädt: Limone am Gardasee. Foto: Consorzio Turistico Limone sul Garda

Zitrusfrüchte waren einst der Exportschlager des Örtchens Limone am Gardasee. Dank eines besonderen Windes, der Ora, gelangten sie bis an die kaiserlichen Höfe in Wien und St. Petersburg. Und den Limonesern brachten die Zitronen ein langes Leben.

Nach der Ora, italienisch für Stunde, kann man die Uhr stellen. Zur Mittagszeit setzt der Südwind ein, bläst stetig und kräuselt das Wasser. Er wird bis in den späten Nachmittag anhalten.

Schon immer schätzten die Menschen um den Gardasee seine Verlässlichkeit.

Die Ora war der Motor der Wirtschaft des ehemals bitterarmen Fischerdorfs Limone

Dank der Ora brachten die Limoneser ihre Zitronen nach Riva del Garda und von dort aus an die Fürstenhöfe nördlich der Alpen. Die Ora war sozusagen der Motor der Wirtschaft des ehemals bitterarmen und von der Außenwelt fast abgeschnittenen Fischerdorfs Limone, dessen Produkte man alsbald in Wien und St. Petersburg gleichermaßen kannte und schätzte.

Noch heute rühmt sich das schmucke Städtchen damit, dass hier die nördlichsten Zitrusfrüchte der Welt wachsen. Allerdings stammt der Name Limone nicht von den Früchten, sondern von Limes – weil bis 1919 ganz in der Nähe die Grenze zwischen Italien und Österreich-Ungarn verlief. Limone war der nördliche Außenposten zum Habsburgerreich.

 

An die Felsen geschmiegt auf sieben Terrassen wachsen dort Zitronen

Um die frostempfindlichen Pflanzen zu kultivieren, musste einiges an Hirn und Muskeln angestrengt werden. Man kann dies heute nach einem steilen Aufstieg vom Hafen hinauf zur Limonaia del Castel sehen. An die Felsen geschmiegt auf sieben Terrassen wachsen dort Zitronen, Süß- und Bitterorangen, Bergamotten, Pampelmusen und Mandarinen.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein blühte der Handel mit den Zitronen. Dann kam der Niedergang. Im harten Winter 1928/29 erfroren viele Bäume. Während der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg wurden auch die Anlagen zerstört. Zitronen waren auf einmal ein rares Gut.

«Damals galten Zitronen als wertvolles Tauschmittel», weiß Alberto Dagnoli, dessen größte Freude es ist, Besucher durch «seine» Limonaia zu führen. «Ein Hain mit 160 Bäumen wie dieser war in etwa so profitabel wie ein Hotel mit 160 Zimmern», erklärt der 70-Jährige. Ein Teil der ehemaligen Plantage ist nun überdacht und dient als Museum. Wissenswertes erfährt man dort über die Kunst des Anbaus.

 

Den Limoneser liegt ein langes Leben im Blut

Zitronen, Fisch und Olivenöl waren lange die Hauptbestandteile der Nahrung in dem isolierten Fischernest. Bis in die 1930er Jahre, als Mussolini die Panoramastraße Gardesana Occidentale in die Felsen sprengen ließ, war Limone nur über das Wasser zu erreichen. Den Limoneser liegt ein langes Leben im Blut. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass ein besonderes Protein Arteriosklerose verhindert.

«Als meine Eltern und Großeltern so alt waren wie ich, waren sie immer noch flink wie die Wiesel», erzählt Dagnoli. «Und das mussten sie auch sein.» Allein die schweren Kisten mit den Zitronen hinunter zur kleinen Hafenbucht zu transportieren, war einen Knochenjob. Alles musste per Boot verfrachtet werden. Doch zum Glück konnte man sich darauf verlassen, dass auf dem See die Ora half. dpa