Geduld, Geduld du kommst ins Paradies!

Eine Gruppe maghrebinischer Migrantenfrauen erkundet gemeinsam Land und Natur. Foto: ARTE
Eine Gruppe maghrebinischer Migrantenfrauen erkundet gemeinsam Land und Natur. Foto: ARTE

Wie fühlt es sich an, ein Leben im Schatten des Ehemannes zu führen? Und wie bricht man da aus? Mit Empathie und Humor gibt eine Arte-Dokumentation einen Einblick in den Alltag von Migrantinnen in Brüssel, die das Leben neu für sich entdecken.

Geduld, Geduld zeigt eine ungewöhnliche Reise

Fünf Gebete am Tag, Donnerstags der Marktbesuch. So sieht ihr Leben aus, erzählt Warda. Mit langsamen Schritten schleppt sie sich und ihren Einkaufsroller über den Marktplatz an einem verregneten Tag in Brüssel. Freundinnen von Warda, auch muslimische Migrantinnen in der ersten Generation, geht es ähnlich. Sie sollen sich um ihre Ehemänner, Kinder und Wohnungen kümmern - vertröstet werden sie mit dem Spruch, «Geduld, Geduld, du kommst ins Paradies!».

 

Doch das Leben von Warda und ihren Freundinnen nimmt eine Wendung - und sie erleben, was Freiheit, Mut und Spaß bedeutet. Die Dokumentation «Geduld, Geduld» auf Arte (Freitag 22.35 Uhr) zeigt die ungewöhnliche Reise der Frauen.

 

 

«Ich habe noch nichts gesehen und nichts erlebt», erklärt die 62-jährige Warda. Als junge Frau kam sie aus Nordafrika nach Belgien. Viel von Europa, oder ihrem Ehemann, der sechs tage die Woche im Bergwerk arbeitete, sah sie nicht. Ihrer Freundin Mina ging es ähnlich. Sie hatte noch nicht mal Freundinnen – ihr Ehemann sagte immer, sie brauche keine. Einsam war ihr Leben, im Brüsseler Stadtteil Molenbeek.

Das Leben in Angriff nehmen

Doch nach dem Tod von Minas Ehemann änderte sich alles. Zum ersten Mal besucht Mina in Marokko eine kulturelle Veranstaltung, ein Poetry-Slam, wo sie die feurige Performerin Tata Milouda kennenlernt. Sie spricht von sozialem Druck, der auf Frauen lastet, und dem Drang nach Freiheit – Worte, die aus Minas Seele zu sprechen scheinen.

 

Also beschließen Mina und Warda, das Leben in Angriff zu nehmen. In Brüssel schreiben sie sich im «Dar al-Amal» – «Haus der Hoffnung» - für Französisch- und Computerkurse ein und treffen dabei auf andere Frauen, denen es ähnlich geht.

 

Einige der Aufgaben, die ihnen gestellt werden, kosten große Überwindung: Etwa einen Ausflug auf das Land zu planen. Einige der Frauen hatten noch nie Molenbeek verlassen. Letztlich beschließen sie sogar, nach New York zu reisen – für Warda das beängstigende, was ihr je in ihrem Leben bevor stand.

Auf zurückhaltende Art feiert die Dokumentation den stillen Mut der Frauen. Ohne Vorurteile nimmt Regisseurin Hadja Lahbib den Zuschauer mit auf die Selbstentdeckungsreise der Protagonistinnen. Sie überlässt die Erzählungen ganz Warda und Mina, die ihre Ängste, Freuden und Selbstzweifel teilen. Dadurch erscheint die Welt der Frauen, die fremd sein sollte, nah und vertraut.

 

Schweren und nachdenklichen Szenen stellt die belgische Regisseurin mit algerischen Wurzeln oft Momente des Humors gegenüber, die für Überraschung sorgen. Etwa ein Picknick in einem belgischen Wald, bei dem die Frauen über Männer lachen: «Nochmal heiraten? Um Gotteswillen... damit er abends sein Gebiss rausnimmt und neben sein Bett legt?», sagt eine der Frauen.

 

Oft lässt Lahbib die Bilder auch einfach ohne Erklärung auf den Zuschauer wirken. Dies gibt Zeit, die Welt der Frauen kennenzulernen, obgleich es dem Film etwas Länge verleiht.

 

Mit viel Empathie, Humor und einigen kleinen Überraschungen erlaubt «Geduld, Geduld, du kommst ins Paradies!» einen seltenen Einblick in die Welt einer Gruppe von nordafrikanischen Migrantinnen, die ihr Leben und ihre Identität neu entdecken – ganz ohne Männer.

 

Die Dokumentation läuft am Freitag, dem 12. August 2016 um auf Arte 22.35 (60 Min.)

Hier finden Sie auch den Link zur Sendung.

"Geduld Geduld" auf Arte