Benedikt zieht Bilanz: Kritik an Kirche in Deutschland

Benedikt XVI. Foto: Ettore Ferrari/Archiv
Benedikt XVI. Foto: Ettore Ferrari/Archiv

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat in einem aufsehenerregenden Interviewband die katholische Kirche in Deutschland kritisiert und eine Bilanz seines Pontifikats gezogen. Wegen der hohen Zahl bezahlter Kirchenmitarbeiter gebe es in Deutschland zu viel «ungeistliche Bürokratie» und zu wenig «Dynamik des Glaubens», sagte der 89-Jährige dem Journalisten Peter Seewald in dem Buch «Letzte Gespräche».

«In Deutschland haben wir diesen etablierten und hoch bezahlten Katholizismus, vielfach mit angestellten Katholiken, die dann der Kirche in einer Gewerkschaftsmentalität gegenübertreten.» Auch die deutsche Universitätstheologie sei in einer Krise, brauche neue Köpfe und eine «neue Intensität des Glaubens».

 

Aus dem an diesem Freitag erscheinenden Buch zitierten am Donnerstag bereits die «Süddeutsche Zeitung» und die «Bild»-Zeitung. Der deutsche Ex-Papst äußert darin auch seine Bedenken gegen das System der Kirchensteuern in Deutschland: «Die automatische Exkommunikation derer, die sie nicht zahlen, ist meiner Meinung nach nicht haltbar.»

 

An der Affäre um den Holocaust-Leugner Richard Williamson, dessen Exkommunikation Benedikt 2009 aufgehoben hatte, sei er nicht schuld gewesen, beteuerte Joseph Ratzinger. Die vatikanische Kommission «Ecclesia Dei» habe ihn nicht informiert. «Ich sehe die Schuld nur bei dieser Kommission.»

 

Ausführlich äußerte sich Benedikt zu Fragen nach seinem überraschenden Rücktritt als Papst im Jahr 2013. Der Amtsverzicht sei keine Folge von Intrigen und Skandalen oder der Vatileaks-Affäre gewesen. «Zurücktreten darf man nicht, wenn die Dinge schiefliegen, sondern wenn sie in Frieden sind. Ich konnte zurücktreten, weil in dieser Situation wieder Ruhe eingekehrt war.» Er ergänzte: «Man darf nie weggehen, wenn es ein Davonlaufen ist. (...) Man darf nur weggehen, wenn niemand es verlangt.» Er habe seine freie Entscheidung noch nicht eine Minute bereut: «Ich sehe jeden Tag, dass es richtig war.»

 

Mit der Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum neuen Papst habe er nicht gerechnet, räumte Benedikt ein. Zwischen ihnen gebe es keinerlei Bruch: «Es gibt vielleicht neue Akzente, natürlich, aber keine Gegensätze.» Eine große Stärke von Franziskus sei die persönliche Zuwendung zu den Menschen: «Eine neue Frische in der Kirche, eine neue Fröhlichkeit, ein neues Charisma, das die Menschen anspricht, das ist schon etwas Schönes.»

 

Er äußerte sich zudem zu einer homosexuellen Lobby im Vatikan. Es gab eine solche Gruppe während seines Pontifikats, und er habe sie zerschlagen lassen. «Ob sich wieder was bildet, weiß ich nicht.»

 

Das neue Buch trägt den Titel «Letzte Gespräche». Er werde nicht mehr zur Feder greifen, kein Buch mehr schreiben, kündigte Ratzinger an. Im Gegenteil: Er sei sogar im Begriff, einige persönliche «Besinnungen», die er in gewissen Abständen aufgeschrieben habe, wegzuwerfen. (DPA)