Suizid im Gefängnis, Terrorverdächtiger erhängte sich mit Hemd

Der unter Terrorverdacht festgenommene Dschaber al-Bakr war im Leipziger Gefängnis in seiner Zelle erhängt aufgefunden worden. Foto: Sebastian Willnow
Der unter Terrorverdacht festgenommene Dschaber al-Bakr war im Leipziger Gefängnis in seiner Zelle erhängt aufgefunden worden. Foto: Sebastian Willnow

Wie kann es sein, dass sich ein dringend Terrorverdächtiger in seiner Gefängniszelle umbringen kann? Politiker sprechen von einem Fiasko. In Dresden läuft zur Stunde eine Pressekonferenz.

Die Selbsttötung des terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in einem Leipziger Gefängnis hätte aus Sicht des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) nicht geschehen dürfen.

«Das hätte nicht passieren dürfen. Es ist aber leider geschehen», sagte Gemkow bei einer Pressekonferenz in Dresden. Al-Bakr habe sich mit seinem Hemd an einem Gitter stranguliert. Die Leiche des 22-jährigen werde derzeit obduziert.

Die Experten hatten am Mittwoch keine akute Selbstmordgefahr festgestellt

Nach jetzigem Stand habe man alles getan, um einen Suizid zu verhindern, beteuerte der CDU-Politiker. Die Experten hätten am Mittwoch keine akute Selbstmordgefahr festgestellt. Eine Vollzugsbeamtin habe dann aber am Mittwochabend gegen 19.45 Uhr bei einer Kontrolle festgestellt, dass sich Al-Bakr selbst getötet habe.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt, Rolf Jacob, sagte, Al-Bakr sei in seiner Gefängniszelle zunächst alle 15 Minuten kontrolliert worden. Am Mittwochnachmittag sei dann aber eine Runde von Experten und Psychologen zu dem Ergebnis gekommen, dass man die Kontrollen in einem Zeitabstand von 30 Minuten machen könne.

Zuvor hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine schnelle und umfassende Aufklärung des Todes des Terrorverdächtigen Dschaber Al-Bakr in einer Gefängniszelle gefordert. Was in der Nacht in Leipzig passiert sei, verlange danach, sagte der CDU-Politiker im ZDF-«Morgenmagazin».

 

Wer trägt die Verantwortung für dieses «Fiasko» der sächsischen Justiz?

Innenpolitiker des Bundestags dringen auf eine schonungslose Fehleranalyse der Behörden. Man müsse jetzt genau schauen, wer die Verantwortung für dieses «Fiasko» der sächsischen Justiz trage, sagte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz im Deutschlandfunk. Der Pflichtverteidiger Al-Bakrs sprach von einem «Justizskandal».

Der unter Terrorverdacht festgenommene 22-jährige Syrer war am Mittwochabend erhängt in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Leipzig gefunden worden.

Der Bundesinnenminister sagte, die Ermittlungen zu dem mutmaßlich durch den anerkannten Flüchtling geplanten Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen würden dadurch erschwert.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sprach von einer «Tragödie». Da Al-Bakr ja wohl bereit gewesen sei auszusagen, verliere man «eine wichtige Informationsquelle». Es gebe viele offene Fragen, «um die Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten».

 

Die Verantwortlichen in Sachsen müssten nun Fehler eingestehen.

Er gehe aber davon aus, dass es am Ende wieder heißen werde, man habe alles richtig gemacht. Notz sagte, in der kommenden Woche werde sich auch der Innenausschuss des Bundestages mit den Hintergründen des Falles befassen.

Al-Bakrs Verteidiger, der Dresdner Rechtsanwalt Alexander Hübner, sagte «Focus-Online», der Justizvollzugsanstalt Leipzig sei das Suizid-Risiko des Mannes bekannt gewesen. Al-Bakr habe in der Zelle zuvor bereits Lampen zerschlagen und an Steckdosen manipuliert.

Die Umstände der Haft seien besorgniserregend gewesen, sagte Hübner am Morgen im Deutschlandfunk. «Ich spreche nur mal den Hungerstreik an und auch das Verweigern von Flüssigkeiten. Das ist ja schon was, dass sich jemand wohl offensichtlich selbst schädigen will.» Hübner hatte demnach noch nachmittags mit dem JVA-Leiter telefoniert. Dieser habe ihm versichert, dass Al-Bakr ständig beobachtet werde.

 

Zelle sei offenbar nur einmal pro Stunde kontrolliert worden

Zuerst hatte die «Bild»-Zeitung über den Tod des Syrers berichtet.

Al-Bakr war am Montag in Leipzig festgenommen worden. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte der anerkannte Flüchtling einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant und bereits weitestgehend vorbereitet. Der Anschlag wäre binnen Tagen möglich gewesen, sagte Behördenpräsident Hans-Georg Maaßen der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Drei syrische Landsleute hatten Al-Bakr am Montag erkannt, überwältigt und der Polizei in Leipzig gefesselt übergeben. In seinen Vernehmungen bezichtigte Al-Bakr nach dpa-Informationen die drei Syrer der Mitwisserschaft. Inwieweit diese Aussage von den Ermittlern als glaubhaft eingestuft wird, blieb zunächst unklar.

 

In der Wohnung 1,5 Kilogramm des hochgefährlichen Sprengstoffs TATP

Am Samstag war ein erster Versuch der Polizei, Al-Bakr in Chemnitz festzunehmen, gescheitert. In der Wohnung dort fand die Polizei 1,5 Kilogramm des hochgefährlichen Sprengstoffs TATP. Der Wohnungsmieter wurde als mutmaßlicher Komplize verhaftet.

Al-Bakr war Anfang 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Nach Recherchen des MDR war er zwischenzeitlich wieder in Syrien. Das habe die Familie des 22-Jährigen mitgeteilt, berichtete das Magazin «Exakt». Mitbewohner aus dem nordsächsischen Eilenburg hätten ebenfalls von seinem Aufenthalt in Idlib berichtet. Sie hätten den 22-Jährigen aber nicht als besonders religiös beschrieben. Nach seiner Rückkehr soll er sich jedoch verändert haben. dpa