Zur Bundespräsidentenwahl in Österreich: Und es gibt sie doch, die politische Vernunft

Alexander Van der Bellen (Foto: Verein „Gemeinsam für Van der Bellen“ / Wolfgang Zajc)
Alexander Van der Bellen (Foto: Verein „Gemeinsam für Van der Bellen“ / Wolfgang Zajc)

Selbst in einem gespaltenen Land wie Österreich wird dem Populisten Norbert Hofer am Ende der Kandidat der Grünen, Alexander Van der Bellen, vorgezogen.

 

Es war der dritte Anlauf zur Wahl eines Bundespräsidenten. Er war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich und erstmals ein Urnengang mit Bedenkzeit.

 

Österreichs Bürger haben am Ende des Jahres der Sicherheit den Vorzug gegeben.

 

Die großen Volksparteien SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) und ÖVP (Österreichische Volkspartei) waren außen vor, das gab es in Österreich nach der ersten Runde noch nie. Der zweite Wahlgang am 22. Mai mit dem hauchdünnen Vorsprung für Van der Bellen durfte nicht gewertet werden.

Ein Beitrag von Andreas Kolesch, Chef vom Dienst Nachrichten / Westfalen-Blatt

 

Das System hatte technisch versagt. Das roch nach einer Empfehlung für Hofer. Schließlich will seine FPÖ mit »denen da oben« aufräumen und den Schlendrian der Behörden abschaffen. Gottlob lagen die Experten mit dieser Vorhersage genauso falsch wie mit ihrer Prognose des Endergebnisses. Das historisch wirklich einmalige an dieser Wahl aber war, dass der dritte Anlauf den Wählern eine zweite Chance gab, ihr Votum zu überdenken. Und das ist die gute Nachricht. Bei aller Wut im Bauch auf Europa und die vergangene Flüchtlingspolitik verschob sich zu guter letzt das Gewicht auf die Seite derer, die sahen, was auf dem Spiel stand. Es muss an Donald Trump gelegen haben. Nach dessen in Westeuropa als unmöglich erachteten Sieg hat es genug Österreichern gedämmert.

 

Hallodri und Harakiri liegen verdammt nah beieinander

 

Österreich braucht keinen Abklatsch des künftigen US-Präsidenten, der in der Riege der Unberechenbaren irgendwo zwischen Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan irrlichtert. Vielleicht war es noch einfacher. Der Schmäh des Norbert Hofer hat sich angesichts der Überangebots an Populisten auf der weltpolitischen Bühne selbst disqualifiziert - als ein billiger Abklatsch der ganz großen Hetzer. Das wäre eine noch bessere Nachricht. Der Trend zum faktenfreien Wutausbruch wäre gestoppt, vielleicht sogar schon umgelenkt. Für echte Siegesnachrichten war es am Sonntag-Abend noch zu früh. 

 

Die Herausforderung eines Wahlausgangs für die Forschung

 

Als der Durchbruch für Alexander Van der Bellen um 17.15 Uhr bekannt wurde, waren Italiens Wahllokale noch fast sechs Stunden geöffnet und ein Gesamtbild noch nicht möglich: Aber: Italiens Europagegner hatten die Chance, zu einer allerletzten kritischen Selbstprüfung.

 

Nebenbei: Die doppelte Wahl im Abstand einiger Monate mit denselben Kandidaten und immer gleichen Argumenten bescherte Wahlforschern eines der größten demoskopischen Experimente am offenen Wählerherzen. Wissenschaftler und Propheten dürften den doppelten Urnengang mit Faszination beobachtet haben. Auch das ist gut so, denn unsere Auguren müssen noch viel lernen.

 

(Westfalen-Blatt / news aktuell / AK)