Härteklausel - Gericht muss alle Einwendungen genau prüfen

Foto: © helmutvogler - fotolia.de
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Der Mieter von Wohnraum ist bei einer Kündigung durch den Vermieter in doppelter Hinsicht geschützt. Zum einen dadurch, dass der Vermieter grundsätzlich nur bei Vorliegen eines gesetzlichen Kündigungsgrundes (z.B. Eigenbedarf) kündigen kann und zum anderen durch die Sozialklausel (Härteklausel) das § 574 BGB.

Danach kann der Mieter selbst dann, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dargelegt und bewiesen hat, der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung für ihn, seine Familie oder Angehörige seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Eine Härte liegt auch dann vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann (§ 574 Abs. 2 BGB).

 

Eine Härte kann aus persönlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen vorliegen. Dabei reichen jedoch allein die Unannehmlichkeiten und Aufwendungen, die jeder Umzug mit sich bringt, grundsätzlich nicht aus. Die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Umzug verbunden wären müssen sich deutlich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten abheben, um als tauglicher Härtegrund in Betracht zu kommen. Trägt der Mieter vor, dass die Beibehaltung der Wohnung für Ihn existenzielle Bedeutung hat und bei einem Umzug schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder sogar Lebensgefahr drohen, muss sich das Gericht damit inhaltlich in der gebotenen Weise auseinandersetzen und seine Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage stellen.

 

Macht ein Mieter schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen eines erzwungenen Wohnungswechsels geltend, müssen sich die Gerichte bei Fehlen eigener Sachkunde mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen erreichen können und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann.

 

Erst dies versetzt die Gerichte in einem solchen Fall in die Lage, die Konsequenzen, die für den Mieter mit dem Umzug verbunden wären, im Rahmen der nach der Härteklausel des § 574 Abs. 1 BGB notwendigen Abwägung sachgerecht zu gewichten (BGH, Urteil v. 15.03.2017, VIII ZR 270/15). Gleiches gilt für den Vortrag des Vermieters: Geht das Mietgericht den Einwänden des Vermieters gegen die vom Mieter zur Begründung einer Härte vorgetragenen Umstände (z.B. Gesundheitsprobleme) nicht ausreichend nach, verkennt es die Bedeutung und Tragweite der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie.

 

Daher kann sich das Gericht z.B. nicht allein mit der Feststellung begnügen, dass nach dem Auftreten des Mieters im Gerichtstermin aufgrund seiner Gebrechlichkeit deutlich erkennbar ist, dass er nicht in der Lage ist, Treppen zu steigen und die Strapazen eines Umzugs auf sich zu nehmen. Auch insofern muss das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen, sofern es nicht über die notwendige medizinische Sachkunde verfügt (Berliner Verfassungsgerichtshof, Beschluss v. 18.06.2014, VerfGH 153/13, GE 2014 S. 997; LG Berlin, Urteil v. 07.05.2015, 67 S 117/14, DWW 2015 S.338; BGH, Urteil v. 15.03.2017, VIII ZR 270/15).

 

Mehr Informationen finden Sie auch unter:

www.haus-und-grund-muenchen.de