Mietpreisbremse: Bayerische Staatsregierung verstößt bewusst gegen Bundesrecht

Foto: © helmutvogler - fotolia.de
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Mit Urteil vom 21.06.2017 hat das AG München die bayerische Verordnung zur Mietpreisbremse für unbeachtlich erklärt, weil der bayerische Gesetzgeber die Vorgaben missachtet hat, die ihm der Bundesgesetzgeber auferlegt hat.

 

Weil die Mietpreisbremse einen erheblichen Eingriff in das Eigen­tumsgrundrecht (Art. 14 GG) darstellt, hat der Bundesgesetzgeber den Ländern auferlegt, für jede einzelne Stadt/Gemeinde, in der eine Mietpreisbremse gelten soll, genau zu recherchieren und in der Begründung der Verordnung detailliert auszuführen, aus wel­chen Gründen in der jeweiligen Stadt/Gemeinde eine Mietpreis­bremse gelten soll, z. B. weil dort die Mieten deutlich stärker stei­gen als im bundesweiten Durchschnitt oder die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den Bundesdurchschnitt deutlich übersteigt. Ferner sollten die Länder angeben, welche Maßnah­men sie zur Behebung des Wohnungsmangels treffen.

 

 

Diese Vorgaben hat die Bayerische Staatsregierung missachtet. Die Verordnung enthält für die darin aufgeführten 137 Städte und Ge­meinden weder eine konkrete und detaillierte Begründung, warum dort eine Mietpreisbremse gelten soll, noch die Angabe von Maß­nahmen zur Behebung des Wohnungsmangels.

 

 

 

Der „bayerische Weg“

 

Nachdem sich die Bayerische Staatsregierung bisher zu den Grün­den für die Fehlerhaftigkeit ihrer Verordnung nicht geäußert hatte, konnte darüber nur spekuliert werden. So war in den Medien u. a. von einem „Versäumnis“ die Rede.

 

Das nunmehr vorliegende Protokoll der Bundesratssitzung zur Mietpreisbremse belegt allerdings, dass es sich mitnichten um ein Versäumnis gehandelt hat; sondern vielmehr um eine bewusste Missachtung der Vorgaben des Bundesgesetzgebers.

 

 

 

Bereits in der Sitzung vom 17.11.2014 hatte sich der Bayerische Justizminister, Prof. Winfried Bausback mit Nachdruck dafür einge­setzt, die Begründungspflicht zu streichen, da anderenfalls (wegen notwendiger statistischer Erhebungen) „die Verordnung sobald nicht erlassen werden kann und die daraus resultierende Enttäu­schung der Öffentlichkeit politisch äußerst gefährlich ist“ (wörtli­ches Zitat).

 

 

Trotz dieser eindringlichen „Warnung“ aus Bayern hat der Bundes­gesetzgeber auf die Begründungspflicht aber nicht verzichtet. Die Reaktion aus Bayern: Ignorieren des Bundesgesetzgebers und Er­lass der Verordnung – ohne entsprechende Begründung.

 

Die Reaktion des AG München: In München gilt wegen der Begrün­dungsmängel keine Mietpreisbremse.

 

 

Dieses zwar juristisch zutreffende, aber politisch nicht korrekte Urteil hat in München für große Aufregung gesorgt.

 

 

 

„Sinneswandel“ bei der Münchner Justiz?

 

Die für die Berufung gegen dieses Urteil zuständige Mietkammer des LG München I, die in letzter Zeit vom BGH bereits zweimal wegen all­zu mieterfreundlicher und damit gesetzeswidriger Entscheidungen aufgehoben wurde, hat jetzt bereits erste Maßnahmen zur Rettung der missglückten Verordnung ergriffen, um Münchens Mietern – und natürlich auch der dadurch blamierten Bayerischen Staatsregierung – aus der Patsche zu helfen:

 

 

Eine Anfrage des LG München I an das Bayerische Justizministerium nach den Gründen für eine Mietpreisbremse in München (die aus der Verordnung nicht ersichtlich sind), wurde vom Justizministerium in Rekordzeit (7 Werktage) und mit dem erwarteten Inhalt („ange­spannter Wohnungsmarkt“) beantwortet.

 

 

Gestützt auf diese Antwort könnte die Mietkammer nun argumen­tieren, bei der fehlenden Begründung handele es sich lediglich um einen (unbeachtlichen) Formfehler; tatsächlich lägen die Vorausset­zungen für eine Mietpreisbremse ja vor.

 

Der Haken: Mit dieser Auffassung stünde die Kammer allein. In al­len Kommentaren zu dieser Neuregelung wird einhellig die Meinung vertreten, dass für jede einzelne Stadt/Gemeinde, in der eine Miet­preisbremse gelten soll, zwingend die dafür sprechenden Daten und Tatsachen bereits in der Begründung der Verordnung genannt wer­den müssen – und nicht etwa erst im Rahmen eines Rechtsstreits auf Anfrage des Gerichts.

 

 

 

Nachgebesserte Kommentierung

 

Diese Auffassung vertreten alle namhaften Kommentatoren – auch der Vorsitzende der Münchner Berufungskammer Hubert Fleindl, von dem die Neuregelung im Beck–online–Großkommentar wie folgt kommentiert wurde:

 

 

„Die Begründung muss statistisch gesicherte Daten und Tatsachen enthalten und sich grundsätzlich auf jede einzelne der in die Ver­ordnung aufgenommenen Gemeinde oder den Teil der Gemeinde beziehen.“ (so die Kommentierung mit Stand 01. April 2017, d.h. vor den Urteilen des AG München und des Bayerischen Verfassungs­gerichtshofs). Mit dieser Auffassung könnte die Mietpreisbremse – Verordnung allerdings nicht gerettet werden.

 

 

Daher wurde die Kommentierung „nachgebessert“ und lautet seit 01. Juli 2017 wie folgt: „Dass sich die Begründung der Rechtsverord­nung selbst auf jede einzelne Gemeinde oder jeden Gemeindeteil zu erstrecken habe, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung aber ge­rade nicht.“ Anders ausgedrückt: Vielleicht verstößt die Bayerische Verordnung ja doch nicht gegen Bundesrecht.

 

 

 

Man darf gespannt sein, ob Richter Fleindl der (neuen Minder-) Meinung des Kommentators Fleindl folgt.

 

 

Rechtsanwalt Rudolf Stürzer, Vorsitzender HAUS + GRUND MÜNCHEN

 

www.haus-und-grund-muenchen.de