Nachbarliche Streitigkeiten um Bäume, Blätter, Wurzeln oder Stacheldraht

(Symbolbild; Foto: pixabay.com /congerdesign)
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Wenn im Herbst Laub in großen Mengen in das Baugrundstück des Nachbarn llt, ist dies häufig der Auslöser von Nachbarstreitigkeiten. Dann wird oftmals auch gleich gesagt, was man schon immer loswerden wollte - dass der Baum ja sowieso zu nahe an der Grenze steht, seine Äste über den Zaun ragen oder die Wurzeln über die Grenze gewachsen sind. Wie ist hier die Rechtslage?

 

Bäume, Sträucher und Hecken müssen zum Nachbargrundstück einen Mindestabstand von 0,5 m einhalten. Gemessen wird von der Mitte des Stammes bis zur Grenzlinie. Werden Pflanzen in einem Abstand zwischen 0,5 m und 2 m zur Grundstücksgrenze gepflanzt, dürfen sie maximal 2 m hoch werden (Art. 47 AGBGB). Beträgt der Abstand mehr als 2 m, gibt es keine Höhenbegrenzung. Ferner gibt es keine gesetzlichen Abstandsvorschriften für Bepflanzungen, die längs einer öffentlichen Straße gehalten werden. Werden diese Mindestabstände nicht eingehalten, d. h. überschreitet z. B. ein Baum oder eine Hecke, die weniger als 2 m von der Grundstücksgrenze entfernt ist, die zulässige Höhe von 2 m, kann der Nachbar verlangen, dass der Baum bzw. die Hecke beseitigt oder auf die zulässige Höhe von 2 m gekürzt wird. Führt ein klärendes Gespräch mit dem Nachbarn nicht zum Erfolg, kann ihm eine angemessene Frist zur Beseitigung bzw. zum Rückschnitt gesetzt und der Anspruch nach ergebnislosem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden.

 

Achtung: Die Verjährungsfrist für solche Ansprüche beträgt 5 Jahre. Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück erst erworben wurde und der Käufer die Verletzung der Abstandsvorschriften daher nicht rechtzeitig beanstanden konnte. Nach Eintritt der Verjährung kann das Zurückschneiden eines Baumes nur in Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses (§ 242 BGB) verlangt werden. Dies kann nach Auffassung des BGH der Fall sein, wenn von dem Baum ungewöhnlich schwere und nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigungen, z. B. durch massive Verschattung des Nachbarhauses, ausgehen und das Zurückschneiden dem Baumeigentümer zumutbar ist, z. B. wenn in den Wohnräumen des davon betroffenen Hauses wegen der Verschattung auch während des Tages elektrisches Licht eingeschaltet werden muss oder der Fernsehempfang durch Funkwellenabschattung infolge des Höhenwachstums der Nachbarbäume gestört wird (BGH, Urteil v. 06.02.2004, V ZR 249/03, DWW 2004, 126).

 

Ferner kann ein Beseitigungsanspruch des Nachbarn bestehen, wenn der Baum aufgrund seines Alters bzw. Zustandes nicht mehr standsicher und gegenüber normalen Einwirkungen von Naturkräften nicht mehr hinreichend widerstandsfähig ist, so dass die Gefahr von Windbruch, Windwurf oder sogar Umstürzen des Baumes besteht (BGH, Urteil v. 21.03.2003, V ZR 319/02). Bei Zweigen und Ästen, die auf das Nachbargrundstück hinüber gewachsen sind, kann ebenfalls die Beseitigung verlangt werden, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung (z. B. durch Verschattung) vorliegt. Auch hier sollte durch ein Gespräch vorab versucht werden, mit dem Nachbar eine Einigung zu erzielen.

 

Führt dies nicht zum Erfolg, kann dem Nachbar eine angemessene Frist gesetzt und ihm angedroht werden, dass man die Äste nach Fristablauf selbst beseitigt oder einen Dritten (z. B. Gärtner) mit der Beseitigung beauftragt und die entstehenden Kosten einfordern wird. Dieser Anspruch unterliegt keiner Verjährung! Zu beachten ist allerdings, dass der Baumeigentümer in Gebieten, in denen eine Baumschutzverordnung besteht, die Beseitigung der Äste, insbesondere von alten und großen Bäumen verweigern kann, wenn der Baum dadurch entstellt und somit ein Verstoß gegen die Baumschutzverordnung vorliegen würde.

 

Hierzu hat das AG Lichtenfels (AZ: 1 C 40/00) bzw. das LG Coburg (AZ: 32 S 11/01) entschieden, dass grundsätzlich nur die Äste und Zweige beseitigt werden müssen, die unter einer Höhe von fünf Metern in das Nachbargrundstück hineinragen. Ein Überwuchs in einer Höhe von mehr als fünf Metern ist hingegen mangels Beeinträchtigung in der Regel zu dulden. Beeinträchtigungen eines Grundstücks durch Laubfall oder durch Kiefernnadeln und Tannenzapfen werden von der Rechtsprechung grundsätzlich als ortsüblich angesehen. Daher bestehen in der Regel weder Abwehr- bzw. Unterlassungs- oder Entschädigungsansprüche des Nachbarn für den mit dem Entfernen des Laubes verbundenen Aufwand.

 

Nur in Ausnahmefällen muss der Nachbar solche Beeinträchtigungen nicht entschädigungslos hinnehmen. Insofern kann ein Ausgleichsanspruch in Geld bestehen, wenn die Einwirkungen das übliche und zumutbare Maß erheblich überschreiten, z. B. wenn die Dachrinnen und Dacheinläufe des Nachbarhauses laufend verstopft werden und dem Nachbarn dadurch hohe Kosten durch Reinigungsarbeiten entstehen (so z. B. BGH, Urteil v. 14.11.2003, V ZR 102/03). Allerdings stellt die Rechtsprechung an das Vorliegen dieser Voraussetzungen hohe Anforderungen. Eine sogenannte Laubrente, d.h. eine Ausgleichszahlung für den mit dem Entfernen des Laubs verbundenen Aufwand gesteht die Rechtsprechung dem beeinträchtigten Grundstückeigentümer nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen zu.

 

Dazu hat u.a. das AG München entschieden, dass in einer „durchgrünten“ Siedlung, in der große Bäume das Gesamtbild prägen, ein erhöhtes Laub-, Blüten- und Samenaufkommen das ganze Jahr über geduldet werden muss. Eine übermäßige Beeinträchtigung des Grundstückseigentümers liegt nach Auffassung des AG München nicht vor, wenn er „lediglich“ drei bis viermal im Jahr die Regenrinnen reinigen und 10 bis 15 Tonnen a 80 Liter Laub entsorgen muss (AG München Az. 114 C 31118/12). In die gleiche Richtung geht ein Urteil des OLG Hamm, das die Verurteilung des Baumeigentümers zur Zahlung einer Laubrente abgelehnt hat, weil der klagende Nachbar für die Entfernung des Laubs „nur“ 72 Stunden im Jahr für das Füllen und Abtransportieren von ca. 80 Säcken an Blättern und Zweigen aufwenden musste (OLG Hamm, 5 U 161/08). Dabei handelt es sich nach Auffassung des OLG Hamm um jahreszeitlich bedingte und beschränkte Einwirkungen, für deren Beseitigung ein relativ geringer Zeit- und Arbeitsaufwand erforderlich sei. Unzumutbare Verschmutzungen, die der Bundesgerichtshof als Voraussetzung für die Gewährung einer Laubrente ansieht, lägen bei dieser Sachlage noch nicht vor (BGH, Urteil vom 14.11.2003, V ZR 102/03).

 

 

Baumwurzeln: Der Eigentümer eines Baumes muss dafür Sorge tragen, dass dessen Wurzeln nicht in das Nachbargrundstück hinüberwachsen; verletzt er diese Pflicht, ist er hinsichtlich der dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks „Störer“ (i.s.d. § 1004 Abs. 1 BGB). Der beeinträchtigte Grundstückseigentümer kann die von dem Störer geschuldete Beseitigung der hinübergewachsenen Baumwurzeln entweder selbst vornehmen und die dadurch entstehenden Kosten erstattet verlangen oder von seinem Selbsthilferecht (§ 910 Abs. 1 Satz 1 BGB) Gebrauch machen und die Wurzeln selbst abschneiden. Haben die Wurzeln z.B. bereits die auf dem Nachbargrundstück liegenden Betonplatten (z.B. der Einfahrt oder des Eingang) unterwandert und angehoben, kann der Nachbar von dem Baumeigentümer auch die Aufwendungen zur Beseitigung der störenden Wurzeln sowie zur anschließenden Wiederherstellung der Oberfläche sowie auch die Aufwendungen zur Feststellung der Störungsursache verlangen (BGH, Urteil v. 28.11.2003, V ZR 99/03, NJW 2004 S.603; Urteil v. 12.12.2003, V ZR 65/03).

 

Dies gilt nach einem Urteil des AG München auch dann, wenn die Wurzeln des Baumes lediglich den Rasen des Nachbargrundstücks beeinträchtigen (AG München, Az: 121 C 15076/09). Nach einem Urteil des KG Berlin vom 15.07.2008, (7 U 180/07, NJW 2008 S. 3148) hat der Grundstückseigentümer gegen seinen Nachbarn (aus § 1004 BGB) einen Anspruch auf Entfernung von hinüberwachsenden Wurzeln von Grenzbäumen, die bei einem direkt an der Grenze verlaufenden asphaltierten Hofweg zu Aufwölbungen und zu Brüchen und Anhebungen des direkt an der Grenze stehenden Zaunsockels geführt haben. Nachdem ein Grundstückseigentümer dafür Sorge tragen muss, dass Wurzeln seiner Bäume nicht auf das Nachbargrundstück hinüber wachsen, ist er verpflichtet diese ggf. durch eine sog. Wurzelsperre zu verhindern. Unterlässt ein Grundstückseigentümer die Errichtung einer Wurzelsperre ist er uneingeschränkt für Schäden haftbar, die Wurzeln seiner Pflanzen oder Bäume beim Nachbarn verursachen. Er kann sich nicht darauf berufen, dass sein Nachbar die Wurzelsperre hätte einziehen können (LG Itzehoe, Urteil vom 18.09.2012, 6 O 388/11).

 

In dem entschiedenen Fall hatte ein Grundstückseigentümer, dessen Gartenschuppen durch armdicke Wurzeln einer auf dem Nachbargrundstück befindlichen 20m hohen Birke schwer beschädigt worden war, den Nachbarn schadensersatzpflichtig gemacht. Nach den Feststellungen eines Sachverständigen hätte der Schaden verhindert werden können, wenn zwischen den Grundstücken eine sog. Wurzelsperre angebracht worden wäre. Der Einwand des Nachbarn, dass ihm die Naturschutzbehörde untersagt hatte, den Baum zu fällen oder dessen Wurzeln zu kappen, konnte den Nachbarn nicht entlasten. Nach Ansicht des Gerichts ist der Grundstückseigentümer grundsätzlich dafür haftbar, wenn es durch das Wurzelwerk seiner Pflanzen oder Bäume auf dem Nachbargrundstück zu Schäden kommt. Es ist seine Sache und nicht die seiner Nachbarn, derartige Schäden durch Anbringen einer Wurzelsperre zu verhindern. Zuständig für derartige Maßnahmen ist immer derjenige, von dessen Grundstück eine Gefahr für die Nachbargrundstücke ausgeht (LG Itzehoe, a.a.o.).

 

Im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht muss der Eigentümer eines Baumes diesen in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall überprüfen und bei entsprechenden Anzeichen, z. B. trockenes Laub, dürre Äste oder Pilzbefall eine fachmännische Untersuchung veranlassen. Unterlässt der Baumeigentümer solche Maßnahmen, haftet er dem Nachbarn für Schäden, die diesem durch herabfallende Äste oder durch ein Umstürzen des Baumes entstehen (BGH, Urteil v. 02.07.2004, V ZR 33/04). War für den Baumeigentümer dagegen nicht erkennbar, dass der Baum bzw. Teile des Baumes einem künftigen Sturm nicht mehr standhalten werden, hat der Grundstücksnachbar ganz einfach „Pech gehabt“ und kann gegen den Eigentümer des Baumes keine Ansprüche geltend machen. Eine Entschädigung kommt in diesem Fall nur durch eine für das Gebäude abgeschlossene Versicherung in Frage. Daher ist es für jeden Hauseigentümer ratsam, auch solche Risiken durch Abschluss einer sog. Verbundenen Gebäudeversicherung abzusichern, die Schäden durch Leitungswasser, Sturm und Hagel abdeckt.

 

 

Stacheldraht: Stacheldrahtzäune wirken nicht nur verunstaltend, sondern können auch eine Gefahr für Tiere z.B. Katzen, aber auch für Kinder und andere Personen darstellen, insbesondere dann, wenn sie z.B. ins Gebüsch eingewachsen und damit nicht mehr sichtbar sind. Besteht dementsprechend eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, muss der Grundstückseigentümer den Stacheldraht entfernen (so z.B. VG Minden, Beschluss v. 11.07.2003, 11 L 603/03; VG Koblenz, Urt. V. 28.11.2005, 7 K 2595/05. Wer eine solche Gefahrenquelle schafft, muss für einen dadurch entstehenden Schaden aufkommen. Rechtsanwalt Rudolf Stürzer, Vorsitzender Haus und Grund München

 

 

 

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